#11: EVOLUTION (2) UND (DIGITALER) WANDEL.

WERTEVERÄNDERUNGEN. MACHT. HARMONIE. VERANTWORTUNG UND DIE ROLLE VON PRESSE UND MASSENMEDIEN. GENERISCHES PRINZIP.

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You cannot connect the dots looking forward;
you can only connect them looking backwards.

Steve Jobs
VERÄNDERUNG UNSERER WERTE DURCH TECHNOLOGIE.
DAS MENSCHLICHE WESEN ALS IMMATERIALGUT.
(31.10.2014) Der digitale Wandel ist Teil einer evolutionären Veränderung in der menschlichen Zivilisationsgeschichte.

Die Umbrüche haben ein derart gravierendes Ausmaß, weil prinzipiell jeder Bereich unseres Lebens - soziale Geflechte, Bindungen, unsere Gedanken, Handlungen, Verhaltensmuster, Körperfunktionen, Gewohnheiten, Wünsche, Träume, Sehnsüchte digital erfasst, gespeichert und verwertet werden können.
In wenigen Jahren wird es in vielen Gesellschaften keinen Lebensbereich mehr geben, der nicht Teil dieses umfassenden Systems ist.


Wenn man sich die Frage nach Veränderung, nach Wandel stellt, muss man sich immer zuerst selber fragen.
Bin ich bereit, mich zu verändern?


In Bezug auf den digitalen Wandel, müsste diese Frage in etwa lauten:

Bin ich bereit, eine der größten Veränderungen in der Geschichte der Menschheit zu verstehen und mitzugestalten?
Verantwortung zu übernehmen?



Seit den Enthüllungen von Edward Snowden wissen wir, dass die digitale Utopie, der wir alle hinterhergelaufen sind, eine große Lüge ist.

Die scheinbare Freiheit, Grenzenlosigkeit und Anonymität des Netzes war von Anfang an eine naive Utopie, meist derer, die nur bereit waren, in den Möglichkeiten des Internets ausschließlich das Potential für die Überwindung eigener Ohnmachtsgefühle zu sehen.

Raubkopiererei und Gratiskultur waren frühe Ausprägungen dieser Naivität, ein wesentlicher Teil des Entstehungsmythos des Netzes.


Was bei dieser Denkweise außer Acht gelassen wurde, ist, dass Immaterialgüter wie Filme, Musik oder andere digital verbreitbare Werke und Arbeiten sehr wohl einen bestimmten Wert haben.

Sie sind Resultate von manchmal sehr harten, schwierigen und auch nicht selten kostenintensiven Schöpfungsprozessen.


Immaterialgut bedeutet im Kern, dass ein Werk oder eine Arbeit kein eindeutiges, zwingendes physikalisches Trägermedium benötigt.


Ein Gedicht oder dieser Text beispielsweise könnte in ein Buch gedruckt sein, auswendig gelernt und vorgetragen werden, auf einer Seite im Netz veröffentlicht werden, kopiert und eingefügt werden, theoretisch unendlich weiterverbreitet werden - ohne dabei den Kerngehalt zu verlieren.

Dies ist die herausragende Eigenschaft eines Immaterialgutes.

Wäre dem nicht so, hätten Menschen kein Interesse, z.B. Songs, Spiele oder Filme gratis auszutauschen bzw. zu nutzen.

Dabei ist es physikalisch gesehen irrelevant, ob ein Film z.B. illegal gestreamt oder auf die Festplatte eines Nutzers kopiert wird.

Relevant ist einzig der Rezeptionsprozess selber, der dem oder der Rezipientin einen Lustgewinn, ein Unterhaltungserlebnis, Flow, Reflexion und oder vielleicht sogar Erkenntnis ermöglicht.



In einer Zeit, in der unser gesamtes Leben auf ein technisches Gerät in unserer Hand zusammenschrumpft, verschwimmen Grenzen zwangsläufig immer weiter -

Grenzen zwischen Beruflichen und Privatem,

Grenzen zwischen dem Geschehen in unserer Welt und Entertainment,

zwischen Pflicht und Zerstreuung.


Hierbei kommt es zwangsläufig zu einer tiefgreifenden Wahrnehmungsveränderung, die - auf jeden Einzelnen bezogen - eine der elementarsten Veränderungen im Rahmen der derzeitigen Umbrüche darstellt.



Zum einen gibt es den Aspekt der Mühelosigkeit, mit der wir plötzlich auf unser gesamtes Lebensuniversum zugreifen können.

Digitale Technologie bedeutet theoretisch eine Auflösung unserer Bewusstseinsgrenzen.



Dabei reduzieren wir haptisches und sensorisches Erleben auf das Reiben auf einer Glasfläche oder die Bedienung von Maus / Trackpad und Tastatur.

Schon heute können wir mit minimalen Gesten oder Augenbewegungen Steuerbefehle geben, die Entwicklungen in Richtung Gehirn-Computerschnittstellen sind bereits jetzt deutlich abzusehen.


Mit wenigen Wisch- oder Tippbewegungen verfügen wir plötzlich über das Wissen der gesamten Welt, treten in Kontakt mit anderen Menschen, teilen mit entfernten Leuten Gefühle und Gedanken, reisen virtuell ans andere Ende der Welt.

Hier zeigt sich: unsere tiefsten menschlichen Gefühle, Gedanken und Verhaltensweisen sind selber ein Immaterialgut, dessen Entschlüsselung aufgrund unserer digitalen Spuren nur eine Frage der Kapazität und der richtigen Algorithmen ist.



Die Mühelosigkeit der Bedienung und die Zentralisierung aller Lebensaspekte unter der Glasoberfläche eines Gerätes führt jedoch zwangsläufig zu einer inneren Veränderung, in der wir eine "alles muss so einfach wie möglich sein"-Anspruchshaltung entwickeln.

Durch diese Simplifizierung schaden wir uns jedoch mittel- bis langfristig massiv, weil wir Wertschätzung verlernen.

Dies betrifft z.B. Flatrates von kulturellen Produkten, genauso wie sehr viele Formen von Zwischenmenschlichkeit.



Das Besondere, Kostbare ist nur noch einen kurzen Fingertipp entfernt und jederzeit verfügbar.

Wir verlernen, für kostbare Dinge zu kämpfen.

Einige Dinge, wie beispielsweise wichtige, persönliche Kommunikation - Nachrichten oder Botschaften von wichtigen Menschen - gehen im Weltrauschen des Personal Device einfach unter.

Wir nehmen zwar wahr, aber diese Dinge erreichen uns nicht mehr, weil wir permanent mit einer potentiell unendlichen Anzahl von Möglichkeiten konfrontiert sind.


In einer Welt, in der alles möglich ist und alles gleich wichtig zu sein scheint, verliert das und der Einzelne zunächst an Bedeutung und schließlich immer mehr an Wert.

Informationsüberfluss und theoretisch unbegrenzte Kommunikationsmöglichkeiten schaffen antiproportional Unbewusstsein.



Im nächsten Schritt führt dieser Umstand dazu, dass es Menschen immer schwerer fällt, sich festzulegen, eigene Entscheidungen zu treffen, eigene Haltungen zu entwickeln, sich über sich selbst bewusst zu werden.

Bequemlichkeit wird zu einer Handlungsmaxime.



Das Unbequeme, Unorthodoxe, Kritische, Andersartige wird zunächst als unangenehm und schließlich in letzter Konsequenz als suspekt und gefährlich empfunden.

Dies ist in jeder totalitären Gesellschaft in der Geschichte der Menschheit bislang in exakt dieser Form so nachzuvollziehen.



Es ist klar, dass ein umfassendes, digitales Spiegelbild unserer Welt, in der die Spuren jeder Handlung und jeder Sache theoretisch in Echtzeit miteinander vernetzt sind, das Potential hat, viele evolutionäre Errungenschaften der Menschheit überflüssig zu machen.

Dies betrifft beispielsweise Bereiche

- der freien Meinungsäußerung,

- des freies Denkens,

- der freien Entscheidung,

- der Freiheit der Kunst usw.




Erstmalig gibt es nun ein System, das theoretisch die Kontrolle der gesamten Welt ermöglicht.

Anstatt aus der Vergangenheit zu lernen, geben wir uns jedoch den Verlockungen der schönen neuen Welt hin, ohne zu reflektieren, ohne bewusst zu filtern und uns Freiräume zu schaffen, Prozesse zu hinterfragen und Dinge in ihrem Wesenskern zu erkennen und zu verinnerlichen.

Die Verführungen und der Goldrausch des Augenblicks sind einfach zu groß.


Dies betrifft sowohl Macher als auch Nutzer.

Ständig sind wir auf der Suche nach neuen Verlockungen, nach neuen Reizen, um unsere bescheidene Größe in diesem Universum zu kompensieren.


Im Kern geht es dabei um eine Frage der Zugehörigkeit und somit des Funktionierens in einem verselbständigten Hochgeschwindigkeitssystem -

keinen Trend verpassen wollen,

keine Arbeitsanweisung nach Feierabend ignorieren können,

über keine Statusmeldung von Hinz und Kunz hinwegsehen können.



Bei den Ansätzen zur Gratiskultur des Netzes wurde schlicht übersehen, dass wir Menschen durch digitale Technologien selber zu einem Immaterialgut geworden sind, für das sich sowohl Regierungen als auch Konzerne brennend interessieren.

Dies liegt, wie jeder weiß, an ökonomischen sowie an Machtinteressen.

Hier eine faszinierende, aktuelle Darstellung von Malte Spitz in einem Spiegel Online-Artikel vom 29.10.2014.


Jede Art von Wachstum auf unserem Planeten ist in letzter Konsequenz faktisch endlich, da die Erde selber ein System der Endlichkeit ist.

Aus diesem Grund wird nun jeder Lebensbereich und jeder Quadratzentimeter unseres Daseins durch Technologie erschlossen und vernetzt.


Dabei folgt unser Leben selber dem Prinzip der Endlichkeit, viele unserer Handlungen sind - bewusst oder unbewusst - von dieser Tatsache beeinflusst - unser gesamtes Streben bekommt erst im Kontext mit der menschlichen Endlichkeit Sinn, fast alle unserer Handlungen sind in die eine oder andere Richtung von diesem Determinismus geprägt.


Streben wir nach besonders viel Geld oder materiellen Privilegien, Macht oder Einfluss, wollen wir uns zumeist gegen die Unwägbarkeiten des Lebens absichern.

Je ausgeprägter ein derartiges Streben ist, desto umfassender ist in fast allen Fällen eine frühere, sehr einschneidende Ohnmachtserfahrung.

Das Prinzip von Mangel und Kompensation zeigt sich hier besonders deutlich.
MACHT UND OHNMACHT.
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Selbst Macht folgt in ihrem Kern einem tief verwurzelten Zugehörigkeitsstreben.

Wie bei einem Schauspieler beispielsweise, der als Kind zu wenig Aufmerksamkeit oder Liebe bekam und dem nun nicht mehr die Liebe eines einzelnen Menschen oder eines überschaubaren Menschkreises genügt, der nun nach der Liebe der ganzen Welt strebt, ist das Streben nach Macht der Ausdruck, dass eine normale Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe nicht mehr genügt, vielmehr muss diese Gruppe beherrscht, dominiert werden.


Besonders manipulative Menschen funktionieren nach demselben Prinzip - ein tiefes, früheres Ohnmachtserlebnis führt zu einer subversiven Form der Manipulation anderer.

Der kurze Lustgewinn ist jedoch flüchtiger Natur, weil die Handlung nur eine kurze Kompensation für einen früher verinnerlichten Schmerzimpuls darstellt.

Philip K. Dick zitiert zu diesem Sachverhalt in seiner Valis-Trilogie, die ich vor etlichen Jahren las, den Psychoanalytiker Theodor Reik, dessen These ich hier wiedergeben möchte:


In seiner Studie über die Form, die der Masochismus beim modernen Menschen annimmt, hat Theodor Reik einen interessanten Aspekt erwähnt.
Masochismus ist weitaus verbreiteter, als man meint, da er in abgeschwächter Form auftritt.
Der grundlegende Prozess verläuft folgendermaßen:
Ein Mensch sieht etwas Negatives unaufhaltsam auf sich zukommen.
Es gibt für ihn keine Möglichkeit, etwas dagegen zu unternehmen; er ist hilflos.
Dieses Gefühl der Hilflosigkeit erzeugt das Bedürfnis, Kontrolle über den drohenden Schmerz zu gewinnen – jede Art Kontrolle ist ihm dabei recht.
Das klingt vernünftig – das subjektive Gefühl der Hilflosigkeit ist schmerzhafter als das drohende Unglück.
Also erlangt der Betroffene auf die einzige Möglichkeit, die ihm zur Verfügung steht, Kontrolle über die Situation.
Er sehnt sich nach dem drohenden Unglück, er beschleunigt es noch.
Diese Reaktion erzeugt den falschen Eindruck, dass er den Schmerz genießt.
So ist es aber nicht.
Er kann einfach nicht länger die Hilflosigkeit oder die angenommene Hilflosigkeit ertragen.
Doch im Bestreben, Kontrolle über das unvermeidliche Unglück zu gewinnen, wird er automatisch anhedonistisch.
Anhedonismus wächst unmerklich.
Im Laufe der Jahre übernimmt er die Kontrolle über diesen Menschen.
Zum Beispiel lernt er, Befriedigung zu vermeiden, dies ist ein Schritt auf dem traurigen Weg, der zum Anhedonismus führt.
Indem er Befriedigung unterdrückt, stellt sich in ihm ein Gefühl der Selbstbeherrschung ein – er ist stoisch, diszipliniert geworden, er folgt nicht mehr irgendwelchen Impulsen.
Er besitzt Kontrolle.
Kontrolle über sich im Sinne seiner inneren Impulse und Kontrolle über die äußere Situation.
Er ist eine kontrollierte und kontrollierende Person.
Recht bald streckt er seine Fühler aus und kontrolliert andere Menschen, die Teil seiner Situation sind.
Er wird zu einem Manipulator.
Natürlich ist er sich all dessen nicht bewusst – ihm geht es nur darum, sein Gefühl der Hilflosigkeit zu mildern.
Doch während er sich darum bemüht, untergräbt er auf schleichende Weise die Freiheit der anderen.
Dennoch gewinnt er keine Lust daraus, keine positive psychologische Befriedigung.
Sein ganzer Gewinn ist grundlegend negativ.

Philip K. Dick, Die Valis-Trilogie, Heyne, Ausgabe 2002



Menschliche Neugier, die in ihrem Innersten eigentlich dazu dient, dass wir uns weiterentwickeln und selbst erkennen, reduziert sich in vielen Fällen unseres digitalen Lebens auf eine flüchtige Zerstreuung und Ablenkung von uns selbst.

Im besten Fall wird eine Großzahl der Menschen aus dem digital Verfügbaren ein eigenes Weltbild aggregieren und sich kritisch mit den komplexen Fragestellungen und Herausforderungen unserer Zeit auseinandersetzen.

In der Praxis ist jedoch eine erschreckende Entwicklung zu unselbständigem Denken und unfreiem Handeln festzustellen.

Dabei vertraut die Großzahl der Menschen blind einer Technologie, deren komplexe Funktionsweisen und Hintergrundprozesse den Wenigsten von uns wirklich vertraut sind.


Ist das Leben selber ein komplexes, zuweilen irrationales Mysterium voller Höhen und Tiefen, sind der digitale Kosmos und die Technologien, die wir nutzen, von Menschen mit klaren Interessen geschaffen worden.

Auch werden diese Technologien von Menschen kontrolliert, deren Handeln sich an Profitmaximierung oder Machtinteressen orientiert.


Es stellen sich in letzter Konsequenz die Fragen, wer das zentralisierte Wissen kontrolliert und nutzt und nach welchen Regeln, Geboten und nach welcher Ethik dies geschieht.


Das Schicksal der Menschheit wird von wenigen Konzernen und Lenkern bestimmt, derzeit werden irreversible Fakten geschaffen, deren Ausmaß und Konsequenz sich den meisten Menschen noch nicht offenbaren, weil das Ganze ja zunächst immateriell und somit schwer zu fassen ist.

Es wird aufgrund der vermeintlichen Chancen und eines kurzfristigen Profits blind in eine Richtung gelaufen, ohne dass jedoch die Regeln für das Spiel definiert und klare Grenzen gezogen wären.

Viele wissen noch nicht einmal, welche ungefähre Richtung sie einschlagen sollen.



In diesem Spiel sind die Nutzer selber zu einer Ware geworden, das Immaterialgut Mensch wird für die Bruchteile eines Cents in riesigen Datensammlungen verhökert.

Dieses Spiel ist potentiell sehr gefährlich, denn es geht um etwas viel Größeres, nämlich um die Frage, wie sich unser Menschsein bereits in den nächsten Generationen definiert - wie werden unsere Kinder und Kindeskinder leben?


Der digitale Wandel in der jetzigen Form, ohne die Besinnung auf unsere zivilisatorischen und ethischen Errungenschaften, ist - nüchtern betrachtet - Raubbau am Menschsein, an dem sich ein Großteil von uns unreflektiert beteiligt.

Wenn man einige Menschen beobachtet, die sich derzeit in allen möglichen Bereichen an Protestaktionen beteiligen, dann aber tatsächlich mit ihnen ins Gespräch kommt und herausfinden möchte, warum sie dies tun, zeigen sich oft reflexartige, wenig profunde Reaktionen.

Viele von ihnen beteiligen sich aus Prinzip an einer Protestkultur, gegen alles Mögliche, um eigene Ohnmachtsgefühle zu überwinden.

Dabei geht es ihnen im Kern nur um sich selbst, anstatt um Sachinhalte.

Oftmals verpufft solcher Aktionismus und führt zu allem Anderen, als zu positiven, nachhaltigen Veränderungen.


Die Ursache für das Unbehagen, das viele Menschen in Angesicht der massiven Veränderungen empfinden, ist direkt im Spannungsfeld von Macht und Ohnmacht zu suchen.

Nicht umsonst ist das Themenpaar Fremd- und Selbstbestimmung (auch hier zeigt sich wieder die schlichte Dualität unseres Daseins) das große Zeitgeist-Thema dieser Epoche.



Um die derzeitigen Veränderungen umfänglich zu verstehen, muss man nur aktuelle Entwicklungen, die derzeit nicht selten in Grauzonen stattfinden und handstreichartig im Verborgenen viele Grundpfeiler des gesellschaftlichen Konsens aufkündigen, konsequent zu Ende denken und ohne Angstreflexe bereit sein, sowohl das komplette utopische, als auch das dystopische Potential der rasant wachsenden Möglichkeiten nicht nur zu erkennen, sondern auch zu verinnerlichen.

Die anfangs erwähnte Gratiskultur und die Utopie eines freien Netzes mussten zwangsläufig auf rasante Weise gewaltige, allumfassende Überwachungsstrukturen schaffen.
Don't fuck with the money.

Diese Strukturen wären jedoch zweifelsfrei auch entstanden, ohne dass es diese anarchische Aufbruchsstimmung gegeben hätte.



Die digitalen Möglichkeiten bieten große Chancen, beispielweise im Bereich der Kommunikation, in der Unmittelbarkeit von Prozessen und somit bei Fragen der Effizienz, darüber hinaus gibt es große Chancen bei Aspekten der Nachhaltigkeit oder des Wissenstransfers, um einige Beispiele zu nennen.


Auf der anderen Seite hat der Wandel das Potential, aus unserer Welt eine technologisch kontrollierte Diktatur zu formen, von der eine sehr überschaubare Gruppe von Menschen profitiert.


Dies sind die beiden äußersten Pole, das duale Spannungsfeld des Stukturwandels, der sich derzeit als größtenteils verselbständigter Prozess vollzieht.


Deutschland handelt dabei rückwärtsgewandt und realitätsfremd, festhaltend am Bestehenden.

Hierbei wird dem Industrie- und Know-How-Standort Deutschland Schaden zugefügt, dessen Ausmaß sich in den nächsten 5-10 Jahren in vollem Umfang offenbaren wird.

Dies ist die eine Ausprägung des digitalen Wandels:

Festhalten um jeden Preis, Bewahrung obsoleter Hüllen anstelle von grundlegenden Investitionen in Infrastruktur, Innovation, Vision und Vertrauen.



Die andere Seite wiederum - sie rennt und rennt...



In Kenntnis dieses Kernspannungsfeldes ist es jedoch töricht, einfach weiter zu rennen und die möglichen Folgen nicht konsequent bis zu Ende zu denken.


Bertolt Brecht sagte zwei beachtenswerte Dinge, die die Problematik der gesamten Angelegenheit exakt auf den Punkt bringen:


"Wer die Wahrheit nicht weiß, der ist bloß ein Dummkopf.
Aber wer sie weiß und sie eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher."


"Erst kommt das Fressen, dann die Moral."


Alle Lenker und Entscheider, die heute nur das Positive sehen, ohne sich dafür einzusetzen, dass zunächst die Spielregeln definiert werden, schaden direkt ihren und unseren Kindern und Kindeskindern.

Genauso schaden jedoch auch diejenigen unserer Zukunft, die sich am Gestrigen festklammern und nicht bereit sind, die Konsequenzen der Entwicklungen zu erkennen und zu verinnerlichen, dann beherzt zu handeln.


Es bleibt jedoch Hoffnung, da ein kollektiver Erkenntnisprozess eingesetzt hat.
MENSCH UND TECHNOLOGIE.
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Bei den grundlegenden Veränderungen ist der Mensch in einen sehr konsequenten Wettbewerb mit Technologie getreten, dies betrifft alle Bereiche der Wertschöpfung und im Kern das Menschsein selber.

Das Ende der Privatheit ist nur ein erstes Symptom dieses grundsätzlichen Wandels.


Betrachtet man zum Beispiel ganz nüchtern all die Vorteile, die Technologie mit sich bringt, ist es klar, dass langfristig ein Großteil aller Berufsfelder aussterben wird.

Technologie ist potentiell fehlerfrei, weist also prozessuale Perfektion auf und ist theoretisch effizienter, als jeder Mensch es sein kann.

Maschinen brauchen keine Pausen und sind in einem Großteil aller Berufsfelder - abgesehen von einem anfänglichen Invest, gelegentlichen Wartungsarbeiten und Updates - kostengünstiger, dies sogar bei gleichzeitig höherem Ertrag.


Der Trend zu Automatisierungsprozessen lässt sich in fast allen Arbeits- und Lebensbereichen in Grundzügen heute erkennen.
Die Grundlage hierfür wurde mit der industriellen Revolution geschaffen und wird in einigen Jahren zur Perfektion gebracht werden.


Prozessuale Perfektion und stetige Effizienzsteigerungen im Dienst der Ökonomie bestimmen dabei in vielen Köpfen das kurzsichtige Handeln.


An dieser Stelle möchte ich noch einmal einen Ausschnitt von der Seite des Physikers Dr. Köhler bemühen, der Ray Kurzweils "Die Zukunft des Menschen" zusammenfasste, um die Konsequenz dieser Handlungsmaxime aufzuzeigen:

Das menschliche Gehirn verfügt über 10°11 Neuronen mit je 1000 Verbindungen zu anderen Neuronen.
Diese 10^14 Verbindungen können simultan 200 Operationen pro Sekunde ausführen, was maximal 2*10^16 Operationen pro Sekunde entspricht.
Bei Problemen mit massiver Parallelität, wie bei der Mustererkennung, leistet das Gehirn Hervorragendes, während bei Problemen, die sequentielles Denken erfordern, seine Leistung nur mittelmäßig ist.
1997 konnte ein Neurocomputerchip mit nur mäßig paralleler Verarbeitungsleistung in seinen Verbindungen etwa 2*10^9 Operationen pro Sekunde ausführen.
Wenn sich diese Leistung alle 12 Monate verdoppelt, erreicht ein solcher Chip im Jahre 2020 die Rechenleistung des menschlichen Gehirns.
Die Gedächtnisleistung des menschlichen Gehirns ist in 10^14 synaptischen Kontakten chemisch gespeichert und wird auf 10^15 Bits geschätzt.
1998 kosteten 10^9 Bits RAM etwa 200 Dollar.
Im Jahre 2020 wird die Gedächtniskapazität und die Rechenleistung des Gehirns für etwa 1.000 Dollar zu haben sein. Supercomputer sind etwa 1.000 bis 10.000 mal schneller.


Ray Kurzweil: Die Zukunft des Menschen.
Zusammengefasst von Dr. Bertram Köhler.




Einen Wettbewerb mit Technologie kann der Mensch mittel- bis langfristig nur verlieren.

Dies ist ein unumstößlicher Fakt, der bereits seit Jahren feststeht.


Stellen Sie sich vor, Sie greifen auf eine heiße Herdplatte.

Ihre Hand, zumindest bei einem intakten sensorischen und motorischen System, zuckt blitzschnell zurück.

Eine solche reflexartige Bewegung ist in etwa die größtmögliche Geschwindigkeit, zu der ein menschliches Wesen körperlich rein praktisch fähig ist.


Wie von Ray Kurzweil, der, wie im letzten Artikel erwähnt, heute technologischer Chefentwickler bei Google ist, im weiteren Verlauf von "Die Zukunft des Menschen" beschrieben, werden zunächst unsere Körper im Wettlauf mit Technologie an ihre Grenzen stoßen.

Zwangsläufig wird Transhumanismus seinen Siegeszug vollführen, wenn vielleicht auch etwas langsamer, als von Kurzweil prognostiziert:


Bereits heute gibt es Prothesen aller Art, Hörgeräte, Sehhilfen, Informationsspeicher, die das Leistungsvermögen beschädigter Menschen wiederherstellen und in zunehmendem Maße direkt implantiert werden.
Die Verbesserung der Leistungsfähigkeit dieser Implantate wird dazu führen, daß ein damit ausgerüsteter Mensch eine höhere Leistungsfähigkeit als ein normaler Mensch erreicht.
Auf diesem Wege wird der Mensch der Zukunft sich selbst konstruktiv verbessern.
Es wird der Zeitpunkt kommen, an dem der Mensch in seinem Wesen stärker durch seine intelligenten Implantate bestimmt ist als durch seine ursprünglichen biologischen Grundlagen.
Dann wird es auch möglich sein, sein Wesen in eine reine Maschine zu kopieren, die sich dann ebenso verhält wie er.

(...)

Bis zum Jahre 2039 wird das menschliche Gehirn in allen Einzelheiten umkehrtechnisch erfasst und maschinell nachgebildet sein.
Hinzu kommen zahlreiche auf dieser Basis weiterentwickelte parallele Algorithmen, die den damit ausgerüsteten Maschinen einen großen Vorsprung vor dem menschlichen Geist sichern.
Die meisten dieser elektronisch - photonischen Intelligenzen sind nicht mehr an eine einzelne Prozessorhardware gebunden, sondern existieren nur als reine Software in einem weltweiten Netz.
Es gibt zwar noch mit Neuroimplantaten aufgerüstete kohlenwasserstoffbasierte Menschen, aber sie sind in der Minderzahl gegenüber den rein maschinenbasierten Intelligenzen.
Die wenigen verbliebenen Menschen, die auf Neuroimplantate verzichten, sind nicht mehr in der Lage, mit denen sinnvoll zu kommunizieren, die diese benutzen.
Das Verständnis dessen, was ein Mensch ist, hat sich grundlegend gewandelt und Gegenstand politischer und philosophischer Diskussionen ist die Frage nach den Rechten und dem Einfluss der verschiedenartigen Manifestationen menschlicher und maschineller Intelligenzen.

Ray Kurzweil: Die Zukunft des Menschen.
Zusammengefasst von Dr. Bertram Köhler.


Die zuvor erwähnten irreversiblen Fakten, die derzeit geschaffen werden, ohne entsprechenden Reflexionsprozess und angemessene Regelungen, werden allen früher oder später auf die Füße fallen.

Die Weichen für die Zukunft des Menschseins werden jetzt, in diesen Jahren gestellt.



Vor Kurzem lernte ich einen sehr kostbaren Menschen kennen, der von Veränderung sprach, aber im Kern Überleben in einer schnellen, oberflächlichen Welt voller ökonomischer Zwänge meinte.

Viele, die derzeit in Entscheidungspositionen über digitalen Wandel sprechen und sinnieren, gleichen diesem Menschen, es geht in ihren Entscheidungsuniversen um wirtschaftliches Überleben.

In Europa laufen nicht wenige Regierungen und Unternehmen blind Entwicklungen hinterher, bei der andere Kulturkreise einen 10-15 jährigen Vorsprung haben, was im Digitalzeitalter mehreren Evolutionssprüngen entspricht.
Erst langsam entwickelt sich überhaupt ein grundsätzlicher Erkenntnisprozess, der wiederum von sehr ungünstigen Emotionen, Reflexen und Interessen überdeckt wird.

In Zeiten von schwindenden Ressourcen, Klimawandel, weltweiten Brandherden und umfassenden, grundsätzlichen, strukturellen Veränderungen müssen wir uns die Frage stellen, was der Kern all dieser Probleme ist.



Vielleicht beginnen einige kluge Lenker und Entscheider einmal mit der Fragestellung, was uns als Menschen gegenüber Technologie oder anderen Wesen überhaupt abgrenzt, um zu erkennen, wo einige, aber sehr deutliche Grenzen verlaufen sollten.


Im Sozialkundeunterricht fragte uns ein Lehrer einmal, warum wir Oma oder Opa, nachdem sie gestorben sind, nicht einfach verspeisen.
Warum eigentlich nicht?

Diese Fragestellung beschäftigte uns einige Zeit und führte zu einer hitzigen Diskussion.
Einerseits wurden sehr emotionale Reflexe sichtbar, andererseits machte sich aufgrund der Ungeheuerlichkeit dieser Provokation Ratlosigkeit breit.
Schließlich kamen wir zu Aspekten der Aufklärung, des menschlichen Bewusstseins, zu Fragen der Ethik und der Menschenwürde.


Es ist nicht leicht, das zu definieren, was uns als Menschen einzigartig macht, uns gegenüber anderen Lebewesen oder sogar Dingen abgrenzt, die Definitionen sind fließend.

- Gefühle, Emotionen oder auch Empathie sind kein Alleinstellungsmerkmal.

- Intelligenz schon gar nicht.

- Individuelles Wissen verliert in Zeiten der Vernetzung an Bedeutung, da die Verbindung von Datensätzen jeglicher Couleur theoretisch grenzenloses Wissen ermöglicht.

- Handwerk und individuelle Prägung, selbst menschliche Intuition, wird sich mithilfe der Analyse von Metadaten in Kürze in jedem Lebens- und Schaffensbereich entschlüsseln lassen.

- Bewusstsein - auch etliche Tierarten können über Bewusstsein verfügen und gewisse Prozesse reflektieren, Entscheidungen treffen.

- unsere Fähigkeit zu lieben, teilen wir ebenfalls mit einigen, gar nicht so wenigen Tierarten.


Die Begriffe Menschenwürde wie auch Ethik sind wunderbare Ideen, die alle genannten Aspekte einschließen, aber auch folgende vier Gesichtspunkte berücksichtigen müssen:



1.
Irrtümer / Fehler

2.
Irrationalität

3.
Das Gewicht der Zeit

4.
Menschliche Endlichkeit und unser Bewusstsein über unsere Vergänglichkeit.



Erst im Kontext mit diesen Eigenschaften kann das komplexe Wesen eines Menschen eine Annäherung erfahren und seine Würde erlangen.



Zu 1:

Der erste Punkt, Irrtümer und Fehler, ist ein gewichtiger Teil unseres ganz persönlichen Annäherungsprozesses an uns selber.

Ohne Irrtümer und Fehler können keine Evolutionsprozesse stattfinden - innerer und äußerer Natur, persönlich und gesellschaftlich.

Unwägbarkeiten, Fehlentscheidungen, Schritte in die falsche Richtung - selbst manche Formen der höheren Gewalt - und die spätere Auseinandersetzung mit diesen Ereignissen, sind ein zwingender Teil eines jeden Prozesses des menschlichen Lebens.

Jedes einzelne menschliche Leben ist eine Abfolge von persönlichen Evolutionsschritten, eine Konfrontation mit potentiell unendlichen Möglichkeiten, die uns das Spielfeld unserer Welt bietet.

Der Prozess des bewussten Filterns, das Erkennen und Weglassen von Unwesentlichem, formt unsere Persönlichkeit.

Oft verändern wir uns nur, wenn wir als Menschen, die denselben Gesetzen eines jeden dynamischen Systems folgen, an unsere Grenzschichten stoßen, unsere ganz persönlichen Grenzbereiche, was unser persönliches System in seiner Stabilität bedroht.
Äußerer Zwang führt nicht selten zu Veränderung.

Wir handeln dann überstürzt, hastig und versuchen, durch kurze, meist nur Symptome lindernde Schritte oder kosmetische Korrekturen, wieder Stabilität für den Augenblick herzustellen.
Dabei fühlen wir jedoch irgendwo tief in uns, dass diese Maßnahmen nur eine kurzfristige Linderung herbeiführen. Dies liegt wieder einmal an unserer seelischen Latenz, unserer Bequemlichkeit, unserer Gewohnheit und unserem Sicherheitsstreben, was im innersten Kern vom Motor Angst angetrieben wird.

Einerseits wissen wir, dass wir uns innerlich nachhaltig verändern müssen, um dauerhaft stabil zu funktionieren und um unsere Gedanken und Gefühle, schließlich sogar die Prozesse in uns und um uns herum beeinflussen zu können, andererseits haben wir uns fest im Bestehenden eingerichtet, das uns eine oberflächliche Sicherheit im chaotischen, hochkomplexen System dieser Welt ermöglicht.

Dieses menschliche Wirkungsprinzip ist die essentielle Grundlage jeder dramatischen Erzählung.

Wir klammern uns an äußere Faktoren, die zweifelsfrei gewisse Sicherheiten schaffen, nicht selten brechen aber soziale Gefüge und Bindungen, materielle und immaterielle äußere Sicherheiten zusammen oder werden von äußeren Gegebenheiten bedroht der sogar vernichtet.

Ein Angstreflex sorgt dann für flüchtige, rückwärts gewandte Entscheidungen und Handlungen.

Emotionale Reflexe und Angst selber sind keine guten Berater, sie sind immer Symptome von Unbewusstsein.

Angst bedeutet im Prinzip das Festhalten an Vergangenem, sie verhindert direkt persönliche Evolution, menschliche Weiterentwicklung, in manchen Fällen überhaupt die Menschwerdung.


Viele Menschen haben verlernt oder aufgegeben, auf sich selber zu hören und sich die Zeit zu nehmen zu reflektieren und in sich hinein zu fühlen, um klare, bewusste Entscheidungen treffen zu können.

Sie handeln gegen ihr tiefstes Inneres oder betäuben ihr tiefstes Wissen oder ihre Erkenntnisse mit Surrogaten, falschen Emotionen, komplizierten gedanklichen Argumentationen oder fliehen schlicht.

Risiken und Unwägbarkeiten, menschliche Irrtümer und Fehler sind Teil des Lebens.

Im Persönlichen, wie ganze Gesellschaften betreffend.

Wer dies verkennt, verleugnet seine eigene Existenz.



Zu 2:

Menschliche Irrationalität, der zweite Punkt, lässt sich im Einzelnen im Prinzip direkt auflösen, sind wir bereit, unser Dasein und alle Dinge, die für uns eine Bedeutung oder auch einen Wert haben, in einem dualen Spannungsfeld zu verstehen.
(Eine Erklärung dieses menschlichen Funktionsprinzips findet sich hier, in Artikel#10 - KATHARSIS (1) - Unterkapitel "Kategorisierung menschlicher emotionaler Dynamik.)

Es gibt unendliche Schattierungen in unseren Entscheidungen und Handlungen, jede Wahlmöglichkeit ist im Kern jedoch ein Konflikt, der sich in einem Kernspannungsfeld abspielt, ausgelöst von zwei Dingen, die nicht miteinander zu vereinbaren sind.

In den seltensten Fällen sind Menschen jedoch fähig, Entscheidungen zu treffen, ohne dabei von ihren Emotionen und ihren Gefühlen beeinflusst zu werden.

Sowohl in die eine, als auch in die andere Richtung.

Erst das menschliche Gefühl verleiht einer jeden menschlichen Entscheidung das finale Gewicht.

Nur in der Entscheidung zeigt sich das Wesen eines Menschen, zuweilen offenbart sich hier auch das gesamte Spektrum der menschlichen Irrationalität, die in besonders komplexen Fällen sowohl bei uns selber, als auch bei Mitmenschen nur mit einer besonders tiefen Empathie und der Findung des tiefsten, ursächlichen Kernspannungsfeldes aufgelöst werden kann.

Dramaturgie nutzt diese Gesetzmäßigkeit in ihrer reinsten, kondensiertesten Form, um uns die Komplexität, die Irrationalität des Menschseins vor Augen zu führen.

Dies berührt und packt uns, weil es eine Wahrheit über unsere Existenz ist.



Zu 3:

Das, was ich als "Gewicht der Zeit" bezeichne, ist eigentlich ein positiver Nebeneffekt der seelischen Latenz.

Mit der Zeit schwächen sich neuronale Muster in unseren Gehirnen ab, Erinnerungen verblassen, was die Natur nicht umsonst so vorgesehen hat.

Menschen können vergessen, vergeben, loslassen und nur so können manche Wunden heilen.

Dies wird in einigen Kulturkreisen als Güte bezeichnet.

Maschinen haben, entsprechende Kapazitäten vorausgesetzt, diese Möglichkeit nicht.




Zu 4:

Der vierte genannte Punkt, unsere Vergänglichkeit und unser Wissen um unsere Endlichkeit, bestimmt - mal bewusst, oft jedoch unbewusst - unser gesamtes Handeln.


Menschen neigen dazu, alles zu machen, was theoretisch möglich ist, wie die Vergangenheit schon immer bewiesen hat.

Dies liegt schlicht daran, dass wir Menschen vergänglich sind.

Wir streben immer nach Möglichkeiten, unsere begrenzte Existenz zu überwinden - in der Fortpflanzung, in der Kunst, in der Wissenschaft, in jedem denkbaren Berufs- oder Lebensprozess.


Die Lösung hierfür kann von jedem Einzelnen nur erkannt werden, wenn er oder sie akzeptiert, dass er / sie vergänglich ist.

Erst die Befreiung von unserem Sterblichkeitskomplex ist die Grundvoraussetzung für verantwortungsvolles, maßvolles, bewusstes und vielleicht auch nachhaltiges Handeln.


Bis zu diesem Schritt sind viele unserer Entscheidungen und Handlungen von einer Ansammlung an leeren, affektiven Emotionen getrieben, von inneren schwarzen Löchern, die ihre Leere mit den unendlichen Möglichkeiten dieser Welt zu füllen versuchen.

Dies ist der Motor von Gier, eine ausschließliche Ichbezogenheit, die in etlichen Fällen nicht über den persönlichen oder direkten sozialen Kosmos hinaus reicht.


Gier ist ein tiefes, menschliches Mangelgefühl und ist der Motor für viele derzeitige Prozesse und Entwicklungen in unserer Welt.


Ein Großteil der heutigen Menschheit und sehr, sehr viele einzelne Individuen haben eine tief verwurzelte Angst, in dieser Welt nicht zu genügen.

Je intensiver wir uns vernetzen, ohne dabei die richtigen Schutzmechanismen und -Filter für uns selber gefunden zu haben, desto übermächtiger werden dabei der Eindruck und die Wirkung von den ∞ Möglichkeiten in der Entropie unserer Welt.

Wir vergessen uns selber und verlieren uns im Chaos der Möglichkeiten, angetrieben von Mangelgefühlen und dem Streben nach äußeren Sicherheiten.


Dies ist die grundsätzliche Ausgangslage, der Startpunkt von sehr vielen, sehr erfolgreichen, dramatischen Erzählsystemen.
HARMONIE, STABILITÄT UND GEDANKENWOLKEN.
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Der Mensch ist ein dynamisches System, das schlichten Naturgesetzen folgt.

Tief in sich strebt er nach Gleichgewicht, nach Harmonie.

Gilt es, eine frühere Verletzung zu kompensieren, strebt er nach einem Ausgleich, nach einem Gegengewicht.

Nicht selten kippt dabei die Balance der Persönlichkeitsstruktur und es entwickelt sich eine Art inneres Perpetuum Mobile - Gier oder Maßlosigkeit sind Beispiele für diese Art von innerer Veränderung.

Ungleichgewicht bedeutet immer das Vorhandensein von Unbewusstsein.


Nach meinen derzeitigen Erkenntnissen bei sehr detaillierten Untersuchungen von Mustern in dramaturgischen Modellen, die ich in einem späteren Artikel genauer erläutern werde, ist die menschliche Harmonie, das innere Gleichgewicht, kein symmetrisches Gleichgewicht.


Menschliche Persönlichkeit ist in etwa nach dem Goldenen Schnitt (φ) oder auch der Goldenen Zahl gewichtet, der irrationalsten aller Zahlen.

Nicht umsonst gilt menschliches Verhalten in vielen Punkten als irrational.

Sie gilt gleichzeitig in der Physik, in Bereichen der dynamischen Systeme, als nobelste Zahl.

Der goldene Schnitt bzw. die Goldene Zahl ist der Schlüssel zu unserem Wesen.

Sie ist lässt sich schlecht durch rationale Werte approximieren.


Folgende Funktion zeigt die Evolution / persönliche Entwicklung eines Menschen:


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Hieraus lässt sich folgende, unendliche Kettenwurzel herleiten:

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Diese Gleichung zeigt den Annäherungsprozess eines Menschen an sich selbst im Laufe eines Lebens.

Theoretisch unendliche Möglichkeiten, Evolutionsschritte im Laufe eines Lebens - ein Mensch, der auf unendliche Möglichkeiten in dieser Welt trifft und nach und nach sein Wesen, sein Bewusstsein, seine persönliche Wahrheit, seine Stabilität aus den absolvierten Annäherungsprozessen "destilliert" / approximiert.


Jede 1 steht für einen Konflikt, eine Prüfungssituation, eine Teil-Erkenntnis auf dem Weg des Lebens eines Menschen.

Jede 1 ist individuell, nicht austauschbar, sie ist die ganz persönliche 1 eines jeden Menschen in einem bestimmten Lebensabschnitt.

Sie steht für die Einzigartigkeit eines jeden Individuums.


Durch diesen potentiell unendlichen Prozess (der erst mit dem Tod eines Menschen endet) findet ein Mensch am Ende zu sich selbst, zu seiner inneren Harmonie, zu seinem Wesenskern (φ Gesamt).

Mikrostrukturell lässt sich diese Kettenwurzel auch auf einzelne Ereignisse und bewusste Entwicklungsschritte / Evolutionsprozesse des Menschen (auch in anderen, belebten dynamischen Systemen) anwenden.


Je mehr Ereignisse / Prüfungen ein Mensch absolviert, desto präziser nähert er sich selber an.

Trotzdem erlaubt diese potentiell unendliche Kettenwurzel potentiell jederzeitige zwischenzeitliche Harmonie / Stabilität (φ).


Der Goldene Schnitt, als seit Langem bekannter Ausdruck formalästhetischer Harmonie, ist nur ein Symptom für unser tiefstes, innerstes Gleichgewicht und unsere Funktionsweise.


Die Verhältnisse von Persönlichkeitsgewichtungen können bei jedem (gesunden) Menschen und in allen Bereichen regelmäßig von Zeit zu Zeit alternieren, abhängig von äußeren Faktoren.


Die dargestellten Funktionen sind seit Ewigkeiten bekannt, wurden aber noch nicht richtig gedeutet.



Dies bedeutet auch, dass viele unserer inneren Strukturen nicht in einem 50/50 Verhältnis funktionieren, sondern eher in einem 60/40 - 70/30 Verhältnis - um ein harmonisches Gleichgewicht zu bilden.

Dies betrifft z.B.

- die so genannte Work-Life-Balance,

- Kommunikationsprozesse,

- Zwischenmenschlichkeiten und funktionierende, stabile Bindungen,

- unsere Zeitwahrnehmung,

- unsere gesamte Persönlichkeitsstruktur, z.B. das Mischverhältnis von Rationalität und Gefühl

usw.



Verschiebt sich jedoch die Gewichtung deutlich in die eine oder andere Richtung, empfinden wir Disharmonie, Ungleichgewicht, Unzufriedenheit.

Dies führt zu Unbewusstsein, da wir versuchen, das innere Ungleichgewicht durch Handlungen in die eine oder andere Richtung zu beeinflussen, dabei jedoch nicht selten noch stärker ins innere Ungleichgewicht kippen.

Geraten wir zu sehr ins Ungleichgewicht, erreichen wir die Grenzschichten unseres Systems, unsere innere Stabilität wird gefährdet.

Nicht selten folgt auf eine derartige Grenzerfahrung eine persönliche Evolution, ein Entwicklungsschritt, der uns wieder ins Gleichgewicht bringt, unserem System Stabilität verleiht.

Im Kern und in letzter Konsequenz geht es dabei IMMER um Selbsterkenntnis und Annahme unseres eigenen Wesens.


Je öfter ein Mensch diese Schritte durchläuft -

Harmonie - Grenzerfahrung - Ungleichgewicht - Bewusstseinsprozess - Evolution |
Harmonie - Grenzerfahrung - Ungleichgewicht - Bewusstseinsprozess - Evolution |
Harmonie - Grenzerfahrung - Ungleichgewicht - Bewusstseinsprozess - Evolution |
Harmonie - Grenzerfahrung - Ungleichgewicht - Bewusstseinsprozess - Evolution |
Harmonie - Grenzerfahrung - Ungleichgewicht - Bewusstseinsprozess - Evolution |
Harmonie - Grenzerfahrung - Ungleichgewicht - Bewusstseinsprozess - Evolution usw.

- desto mehr lernt er, sich selbst anzunehmen und zu akzeptieren.

Unabhängiger von äußeren Faktoren und von affektiven Emotionen zu werden.

Gelassenheit und Klarheit über relevante Fragen seiner Existenz zu erlangen.

Weil der oder die Handelnde sich jedes Mal ein Stück mehr seinem eigenen Wesen annähert.


Die Dramaturgie eines funktionierenden, berührenden Spielfilmes funktioniert nach exakt diesem Prinzip.

Und nicht umsonst lassen sich deswegen Muster des Goldenen Schnittes in vielen, sehr erfolgreichen dramaturgischen Modellen nachweisen.

Mehr dazu im späteren Artikel "Das Gewicht des Herzens", der jedoch nicht vor Frühjahr 2015 erscheinen wird, da ich umfangreiche empirische Datenmengen auswerten und aufarbeiten muss.



Am leichtesten nehmen wir Veränderungen an, wenn wir im Gleichgewicht sind.

Dies liegt an der menschlichen Angst, einem unserer stärksten Antriebe, der uns oft davon abhält, Neues zu wagen, uns zu öffnen und Dinge bis zu ihrem Kern zu verstehen.

Wir müssen uns sicher fühlen, uns selber vertrauen, um bewusst Veränderungen herbeizuführen, den Schritt ins Unbekannte, ins Riskante zu wagen.

Beim Sehen eines Films beispielsweise gibt die Art des Mediums selber uns Sicherheit - die erlebten Emotionen und Gefühle, selbst die Aussagen einer Arbeit oder eines Werkes können wahrhaftig, manchmal sogar sehr hart sein, dennoch folgen wir im geschützten Raum des Mediums nur allzu gerne dieser Verführung, wenngleich nicht wenige Menschen im wahren Leben bereits bei einigen schlichten Dingen auf unüberwindbare innere und äußere Hindernisse stoßen.

Auf innerem Gleichgewicht basierende Evolutionsprozesse sind bewusst gesteuerte Prozesse.




In der Praxis jedoch geschehen Veränderungen in den meisten Fällen durch Grenzerfahrungen, die die Stabilität eines Systems gefährden.

Dies ist die Funktionsweise jeglichen Dramas, hier gilt der Satz, dass Figuren (z.B. in einer Filmhandlung) nur unter Druck ihren wahren Charakter und ihre Fähigkeiten zeigen.


Der Protagonist wird bis zu einem bestimmten Punkt den äußeren Ereignissen hinterherlaufen, mehrmals scheitern und seine äußeren Grenzen erkennen lernen.

Dann, am tiefsten Punkt, wo alles verloren scheint und wo er kurz vor der Aufgabe steht, legt er einen inneren Schalter um.

Er muss es tun, sonst scheitert er und kann in nicht wenigen Fällen nicht weiter existieren.

Er überwindet einen inneren Irrtum, um das System, das ihm zuvor so viel Kummer und Instabilität bereitet hat, überwinden zu können oder loszulassen.


Auf innerem Ungleichgewicht basierende Evolutionsprozesse sind unbewusste Prozesse, in deren Verlauf Bewusstsein erlangt wird (Drama, Komödie) oder kein Bewusstsein erlangt wird (Tragödie).
Bei der Visualisierung von Bewusstseins- und Entwicklungsprozessen in dramaturgischen Systemen wurde mir klar, dass organische Entwicklungsschritte von Menschen und auch von Gesellschaften niemals linear stattfinden.

Bei der Untersuchung mehrerer Figurenentwicklungen in sehr erfolgreichen Spielfilmen stellte ich fest, dass die stärksten Entwicklungen von Charakteren und deren Bewusstsein in parabelförmigen Abschnitten stattfindet.


Setzt man die Entwicklung eines Charakters in einer Filmhandlung auf die Grafik einer Storyentwicklung, ergeben sich folgende Entwicklungen:

- Kurze Erkenntnismomente / Lernmomente

- Verdrängen / Vergessen des Erlernten / der Erkenntnis

- Wiederkehr / Erinnerung des Erlernten vor oder in einer folgenden Prüfungssituation

- Steigerung der Erkenntnispeaks / -Spitzen bis zur irreversiblen Entwicklung / Evolution.

Von "Prüfung" zu Prüfung entstehen / offenbaren sich Erkenntnisse, deren Verinnerlichung den nächsten Schritt darstellt, bis es am Ende zu einer tiefen, größeren Erkenntnis kommt.
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Dieses Emergenzmuster von menschlichen Erkenntnis- und Entwicklungsprozessen, das auch in Gesellschaftsprozessen in dieser Form auftritt, muss im Kontext mit der Trägheit des Herzens oder auch der seelischen Latenz betrachtet werden. 


Seelische Latenz ist unsere innere Gravitation - dies betrifft Aspekte der Angst, der Gewohnheit, der Routine. Hinzu kommen Widerstandsfaktoren wie Ego, Machtinteressen oder ökonomische Absichten.


Angst verursacht potentiell evolutionären Stillstand.


Würden Menschen wie Maschinen funktionieren, gäbe es diesen Trägheitsfaktor nicht, evolutionäre Entwicklungsschritte würden rein linear oder exponentiell stattfinden.

Lineare oder exponentielle Entwicklungsprozesse kennen jedoch kein Innehalten.


Sie sind nicht unbedingt menschlich und werden von reiner, zielgerichteter Logik vorangetrieben.

Unter diesem Aspekt stellen die üblichen, unten abgeflachten Cloud-Computing- Logos auch eine verblüffend ehrliche Darstellung der derzeitigen Entwicklungen des technologischen Fortschrittes dar.

Fortschritt, Entwicklungen und Evolution finden ausschließlich von technischer Seite statt, die User (unten) funktionieren lediglich passiv, linear, gleichgültig.

(Natürlich ist mir bewusst, dass es unter Designaspekten gute Gründe für die unten abgeschnittenen Wolken gibt.)
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Zum Menschsein gehört zwangsläufig die Geschwindigkeit oder vielmehr auch Langsamkeit von inneren Entwicklungen.

Intellektuell und rational sind wir Menschen zu erstaunlichen Leistungen und hohen Geschwindigkeiten fähig.
Die Resultate sind - bei zu hoher Geschwindigkeit - jedoch nicht selten das Gegenteil von dem, was wir zu schaffen beabsichtigen.

Harmonie kann im Kontext mit Evolution in jedem denkbaren Bereich nur entstehen, wenn Dinge nicht nur rational erfasst werden, sondern auch emotional verstanden, verinnerlicht und akzeptiert werden und daraus die richtigen Schlüsse gezogen werden.

Sie ist eine Grundvoraussetzung für bewusste Veränderungsprozesse.
LOSLASSEN UND ERNEUERUNG.
Zu jeder Art von Erneuerung gehört ein Loslassen.

Dies ist einer der Gründe, warum Filmen und anderen Kunst- und Kommunikationsformen (mit Zeitkomponente) eine so große Verführungskraft innewohnt.

Halten wir zu sehr oder zu lange an etwas fest, das unrealistisch, unerreichbar oder in der Vergangenheit liegt, schaffen wir schlicht Emergenzeffekte im System unseres Bewusstseins, die uns ständig und immer wieder destabilisieren.

Die uns davon abhalten, ins Gleichgewicht zu kommen, permanent werden wir von Mangelgefühlen oder Ängsten getrieben, die uns die Sicht auf das vernebeln, was ist.
Auf unsere positiven Eigenschaften, Stärken und Qualitäten, aber auch unsere Fehler und Schwächen - stets in Korrelation mit dem bestimmenden System, in dem wir leben.

Die Überlagerungen schaffen potentiell ∞ innere Konflikte, wie ich bereits in der t(subj)=0 -Theorie dargestellt habe.


Jeder Mensch trägt sein Gepäck und nicht selten begegnen mir Personen, die erhebliche Lasten aus der Vergangenheit mit sich herumtragen.

In diesem Zusammenhang erinnere ich mich an das Zitat einer entfernten Bekannten, die einmal einen Mystiker zitierte, an dessen Name ich mich nicht erinnere, dennoch blieb der folgende Satz in etwa dieser Form bei mir hängen:

Loslassen bedeutet, die Hoffnung auf eine bessere Vergangenheit aufzugeben.



Loslassen bedeutet aber auch, etwas umfassender betrachtet, die Fähigkeit zu erlernen, sich nicht zu sehr an äußere Stabilitätsfaktoren zu klammern.

In ihrer Summe bilden sie eine recht stabilisierende Hülle, die natürlich auch auf das Individuum im Kern des Systems wirkt.

Eine gewisse Grundstabilität durch äußere Faktoren ist jedem Menschen zu wünschen.


Der schlichte Nachteil dieses Systems besteht jedoch darin, dass ein Mensch, der sich überwiegend oder ausschließlich auf äußere Stabilitätsfaktoren verlässt, enorme Schwierigkeiten haben wird, sich selber anzunähern, sich zu erkennen, sich bewusst weiterzuentwickeln, Visionen zu finden und Dinge bei sich und in seinem Umfeld zu verändern.

Weil dieser Mensch zu sehr am Äußeren, an der Oberfläche festhält.

Beispielsweise an materiellen oder sozialen Privilegien, einer gewissen Außenwirkung oder Einflussmöglichkeit.


Es ist klar, dass eine solche Person seine äußeren Stabilitätsfaktoren mit Händen und Füßen verteidigen und zu maximieren versuchen wird, weil sie es sind, die ihm Stabilität verleihen.


Diese Art von Oberflächlichkeit lässt sich direkt vom Individuum auf globalere Prozesse übertragen, beispielsweise den digitalen Wandel.


Hier lässt sich dieses Prinzip bei vielen Unternehmen und Staaten derzeit in reinster Form beobachten:


Kopie und Partizipation statt Innovation und Vision.

Geschwindigkeit und Kurzsichtigkeit anstelle von Nachhaltigkeit und Verantwortung.
VERANTWORTUNG UND DIE ROLLE VON PRESSE UND MASSENMEDIEN.
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Foto ©2013 JO
Betrachtet man die heutige Presse- und Medienlandschaft, lassen sich grundsätzlich vier Dinge feststellen:

1.
qualitativer Verfall und mangelnde Tiefe

2.
Gleichschaltung

3.
Auflösung der Grenzen zwischen Fiktion und Realität

4.
Verlust von Presseethik



Die so genannte Medienkrise ist natürlich äußeren Faktoren geschuldet, die aber wiederum nur derart gravierenden Einfluss haben, weil die meisten einfach schlicht nicht mehr wissen, wo sie stehen.

Dies ist sehr bedauerlich, da den Presseorganen, auch einigen Bereichen der Kunst und des Entertainments, unbestritten die Rolle der vierten Gewalt zukommt.


Aktualität, also wiederum Geschwindigkeit, ist hier die größte Handlungsmaxime geworden, hinzu kommen natürlich gewichtige ökonomische Faktoren und eine Menge Unsicherheiten im Angesicht der rasend schnellen Entwicklungen.


Zu 1:
Der qualitative Verfall und die mangelnde Tiefe lässt sich bereits anhand von oberflächlichen Merkmalen definieren.

Selten finde ich in der aktuellen Presse Geschichten zu aktuellen Sachverhalten, die eine gewisse Tiefe oder auch nur den Ansatz einer Haltung erkennen lassen.

Die wenigen Ausnahmen bestätigen die Regel.

Aktualität bestimmt hier zum großen Teil den Inhalt, Vorstellungen von technischen Geräten werden zu Eilmeldungen aufgeblasen oder gleich direkt live gestreamt bzw. als hektischer Storify publiziert.


Grundsätzlich ist sehr begrüßenswert, dass sich Methodik und Herangehensweisen der Profis der Zeit anpassen, dass auch Nutzer und Rezipienten zu Wort kommen.

Zweifellos trägt das Netz zu einer Demokratisierung von Nachrichten und im Entertainment bei.


Im Making Of zu Francis Ford Coppolas Apocalypse Now äußert der Regisseur, dass er hoffe, dass eines Tages ein kleines Mädchen mit einer Videokamera komme und ein Meisterwerk erschaffe.

Technologie ist heute kein Hinderungsgrund mehr, wertvolle Arbeiten oder sogar Werke zu erschaffen und dabei theoretisch eine große Anzahl von Menschen zu erreichen.

Das, was den Profi vom Amateur in Zukunft unterscheidet, sind einzig das Handwerk und die Intuition, basierend auf Erfahrung - sowie ein gehobenes Maß an Ethikbewusstsein.


Umso bedauerlicher ist es, dass die wichtigsten Medien in der überwiegenden Mehrheit der Fälle nur noch auf Geschwindigkeit und Oberfläche setzen.

Sie folgen dem großen Irrtum unserer Zeit.




Zu 2:
Betrachtet man heute Meldungen zu aktuellen Ereignissen, lassen sich viele beliebige Nachrichtenseiten und Portale - bis auf das Titelbild und kleine Formulierungen - beliebig austauschen.

Hin und wieder lassen sich Kommentare zu größeren Themen finden, dies jedoch nur, wenn eine bestimmte Sache ein Mindestmaß an Relevanz erreicht.

Wofür besuche ich dann noch eine bestimmte Seite, ein bestimmtes Portal?

Geht es so weiter, ist es bis zu einem komplett zentralisierten Presseorgan nicht mehr weit.

Pressevielfalt wird dann abgeschafft sein - durch die Presse selber.





Zu 3:
Unglücklicherweise verschmelzen in der heutigen Zeit Nachrichten und Fiktion, schon rein äußerlich, zu einem immer unklareren Gesamtbild.

Jede Schlagzeile wird aufbereitet wie die Werbung für ein Kino-Event, alles wird konsumierbar und schnell verdaulich gemacht, dabei verpackt in allerschönstes Schokoladenpapier.

Einerseits sind dies wirksame Köder, die sicherstellen sollen, dass ein Artikel eine bestimmte Aufmerksamkeit erzeugt, andererseits ist es sehr bedenklich, über Massaker, Gräueltaten, Krieg und Terror im selben Stil wie über ein banales Boulevard-Ereignis zu berichten.

Auch diese Herangehensweise trägt dazu bei, dass bei Lesern, Nutzern und Rezipienten eine stetige Verwässerung des Bewusstseins für Relevanz und Wahrhaftigkeit von Ereignissen stattfindet.

So lange sich das auszahlt und möglichst viele Klicks generiert, dreht jedoch jeder bereitwillig an dieser Schraube mit.





Zu 4:
Der Verlust von Presseethik lässt sich sehr deutlich bei allen großen Zeitungen und Nachrichtenportalen beobachten.

Ein Beispiel: einerseits wird kritisch über gewisse Entwicklungen im Digitalbereich berichtet, andererseits werden die Möglichkeiten der personalisierten Werbung hemmungslos mitbetrieben und das kritisierte System in vollem Umfang unterstützt.

Auch in diesem Punkt zeigt sich der zuvor genannte Kernkonflikt zwischen Zugehörigkeit (Funktionieren) und Bewusstsein in vollem Umfang.

Natürlich muss der Betrieb finanziert werden, allerdings gibt es (partielle) Bezahlmodelle sowie die Möglichkeit, über alternative, ethische Werbemodelle nachzudenken, die nicht die Nutzung persönlicher Daten voraussetzt.

Wo bleiben Initiativen, die Alternativen zu personalisierter Werbung entwickeln?

Eine breite Allianz, die auf Targeting verzichtet und somit Effekte auslöst, die potentiell Dinge verändern können?





Veränderung beginnt immer im Kopf, jedoch in diesen Fällen stets im Spannungsfeld mit ökonomischen Gegebenheiten.

Leider werden auch Presseorgane nur von Menschen betrieben, die, wie alle, der weiter oben beschriebenen Maxime folgen:
was möglich ist, wird gemacht.

Wir müssen ja auch irgendwie überleben.

Vision und Ethik sind dabei nätürlich hinderlich.


Die bedingungslose Teilnahme an fremden Systemen ohne eigene Vision, ohne Ethik und ohne Haltung führt allerdings zwangsläufig zur breiten Akzeptanz von Heuschrecken, Disruptoren, Social Freezing und allen anderen möglichen Dingen, die uns mittel- bis langfristig immer weiter von uns selbst entfernen.


Verantwortung ist in ihrem Kern ein Streben nach Gleichgewicht, nach Stabilität innerhalb eines bestimmten, relevanten Systems.

Diese Stabilität wiederum bedeutet sowohl für das Individuum als auch für ganze Gesellschaften ein gewisses Maß an Harmonie, vor allem aber Funktionieren.

Verantwortung beginnt immer zunächst bei uns selbst und das, was heute ökonomisch zweifellos funktioniert, ist eine Anleihe auf die Werte und Freiheiten der Zukunft.


Nachhaltige, verantwortungsvolle Visionen zu finden und umzusetzen, benötigt jedoch Zeit und Geld.

Und die Bereitschaft herausragender Lenker und Entscheider, das Bessere als den Feind des Guten sehen zu wollen.
LÖSUNGEN UND GENERISCHES PRINZIP FÜR (DIGITALEN) WANDEL.
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Foto ©2013 Janosch Orlowsky
Als ich vor etlichen Jahren meinen Führerschein machte, hatte ich das Privileg, mehrere Fahrsicherheitstrainings zu absolvieren.

Einer der Ausbilder sagte mir vor dem Ausweichtest etwas, was ich nie vergessen werde.

Sieh nicht dahin, wo Du nicht hinmöchtest.
Konzentriere Dich nur darauf, wo Du hinmöchtest.



Mann konnte das Hütchenspiel, das Ausweichen in der Pylonengasse auf nassem Untergrund, nur gewinnen, wenn man sich auf den freien Weg konzentrierte, nicht auf die Hindernisse.

Wer in erster Linie auf die Hütchen starrte und dessen Aufmerksamkeit vom Hindernis in Besitz genommen wurde, traf es mit Sicherheit auch.


Bei Überholvorgängen in Autobahnbaustellen kann man oft beobachten, wie zögerliche Fahrzeugführer minutenlang brauchen, um andere Fahrzeuge zu überholen, hinter Lastkraftwagen geben nicht wenige auch wieder auf und brechen das Überholen wieder ab.



Wie mit der Pylonengasse ist es mit allen Dingen in unserer Welt, die Bedeutung für uns Menschen haben.

Sie sind dual aufgeladen: mit Angst und mit unserem Streben nach Entgrenzung.



Das folgende Prinzip habe ich aufgrund eigener, intensiver Beschäftigungen mit zahlreichen Film- und Medienprojekten sowohl im theoretischen als auch im praktischen Bereich erarbeitet.

Im Prinzip ist es eine Abwandlung von filmproduktionstheoretischen Prinzipien, die sich auf viele Prozesse übertragen lassen.


Eigentlich sind diese Schritte banal, werden jedoch von den Wenigsten wirklich konsequent umgesetzt.

Aus diesem Grund stelle ich dieses Prinzip hier gerne zur Verfügung.
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©2014 decodingcinema.com / Janosch Orlowsky
Mein besonderer Dank gilt Dr. Bertram Köhler.


Und danke für die Inspiration, J.B.!
Ich glaube an Dich.


#13: EVOLUTION(2) UND DIGITALER WANDEL © 2014 Janosch Orlowsky. Nachdruck und / oder Verbreitung nur mit schriftlicher Genehmigung.
APPENDIX #13: EVOLUTION UND KUNST.
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Foto ©2012 JO
Im vergangenen Artikel ging es um Bewusstseinsfragen und welche Rolle subjektive Zeit für menschliche Entwicklungsprozesse spielt. Ausgehend von bisherigen Erkenntnissen aus dieser Artikelreihe, konnte ich hierbei erstaunliche Parallelen zwischen dramaturgischen Modellen und dynamischen Prozessen in unserer Welt feststellen.

Durch den Ausflug in einige Wissenschaftsgebiete konnte ich die These verifizieren, dass Dramaturgie im Wesenskern ein über Jahrtausende evolutionär entstandenes, komprimiertes Abbild menschlichen Lebens ist.

Alle dramaturgischen Werkzeuge und Techniken, Strukturen, Konflikte sowie Dilemmata sowie deren Lösungen spiegeln das Leben und unsere Welt.

Aus allein diesem Grund berühren uns Filme, Theaterstücke, Romane, selbst Musik und andere Erzähl- und Kunstformen mit zeitlicher Komponente.

Die eigentliche Kunst und die Arbeit eines Künstlers oder Kreativen besteht darin, Sachverhalte und Problemstellungen auf ihren globalen, allgemein gültigen Kern herunterzubrechen und diese Emotionen sowie wahrhaftige Sachverhalte / Ideen mit Handwerk und Verpackung derart anzureichern, um Rezipienten in den Bann zu ziehen, zu berühren und ihnen am Ende vielleicht eine wertvolle Erkenntnis über das Leben zu schenken.


Zeitgeist ist nichts weiter als gesellschaftliche Fragestellungen und Empfindlichkeiten, die Emergenzeffekte bilden, die zu Konsensmeinungen / -Haltungen oder -Gefühlen führen.

Gesellschaftlicher Konsens bedeutet im Prinzip mehrheitsfähige Haltung zu einem bestimmten Zeitgeist-Thema.

Nicht selten wird versucht, über offenkundige oder versteckte Mechanismen hierauf Einfluss zu nehmen, was sehr bedenkenswert ist und in Bereichen der Propaganda bereits oft missbraucht wurde.


Ist dies in Bereichen der Kunst legitim, um Gedankenprozesse anzustoßen, sollten wir uns in vielen Lebensbereichen fragen, wo hier die Grenzen liegen, wie weit jeder Einzelne gehen sollte, um bestimmte Interessen oder ein bestimmtes Streben durchzusetzen.

Je mehr Macht oder Einfluss ein Einzelner, eine Regierung oder ein Konzern hierbei hat, umso deutlicher müssen diese Fragen aufgeworfen und beantwortet werden.


Es stellt sich bei jeder bewussten, elementaren Veränderung immer die Frage nach

- Zielsetzung und somit Motiv,

- nach der Art und Form einer möglichen Einflussnahme,

- nach den möglichen Folgen in letzter Konsequenz,

- nach der persönlichen Haltung.


Kunst, Dramaturgie und kreativer Ausdruck sind von diesem Prinzip nicht ausgeschlossen, jeder Künstler muss sich die Frage nach seiner persönlichen Verantwortung stellen.


Der Physiker Dr. Köhler, dessen evolutionstheoretischen Zusammenfassungen ich mehrmals zitierte und den ich traf, geht an dieser Stelle auf den letzten Artikel ein, in dem bereits ein erster Erklärungsansatz zum Zusammenhang zwischen Kunst und Evolution formuliert ist.


Kunst ist nicht nur Ergänzung und Reflexionsraum bei evolutionären Veränderungen, sie ist ein wichtiger Teil des Gleichgewichts des menschlichen Bewusstseins und des Gleichgewichts des dynamischen Systems unserer Welt.



APPENDIX #13: Evolution und Kunst © 2014 Janosch Orlowsky. Nachdruck und / oder Verbreitung nur mit schriftlicher Genehmigung.