#K1: SIR RIDLEY SCOTT (Regisseur / Produzent) - ARBEIT UND METHODIK
Foto @ Wikipedia
PROLOG
Dies ist kein Porträt von Ridley Scott, sondern ein persönlicher Blick auf seine Arbeits- und Herangehensweisen.
Wer ein Porträt erwartet, wird an anderen Stellen im Netz sicherlich fündig.
Der britische Regisseur und Produzent Ridley Scott ist einer der einflussreichsten Filmemacher der Gegenwart. Seine Filme haben mich immer wieder fasziniert, beeindruckt und geprägt. Nicht nur sein präzises, einzigartiges Handwerk, auch die Wahl seiner Stoffe und seine Arbeitsmethoden sind außergewöhnlich. Ridley Scott ist ein Ausnahmeregisseur, der das Kino zelebriert.
Vor kurzem arbeitete ich Scotts Oevre komplett durch und sah mir fast alle seine Filme unmittelbar zweimal hintereinander an - ohne und mit Regiekommentar. Scott ist einer der wenigen Regisseure, die fast alle ihrer Filme kommentiert haben.
Zusätzlich las ich, was im Netz verfügbar ist und sichtete auch zahlreiche Making Ofs und Hintergrundberichte, die es zu seinen Werken gibt.
Die aufschlussreichsten Informationen über seine Herangehensweisen und seine Methodik finden
sich in seinen Kommentaren.
Ridley Scott ist ausgebildeter Grafikdesigner und Maler, er studierte am Londoner Royal College of Art und hat ein unbestechliches Auge.
Er ist ein überragender und blitzschneller Zeichner, der binnen Minuten ganze Storyboards direkt am Set zeichnen kann.
Sein Einstieg in die Filmbranche erfolgte über eine Tätigkeit als Szenenbildner bei der BBC.
Vor seiner Kinokarriere drehte er nach eigenen Angaben über 2000 Werbespots, von denen er etliche auch selber fotografierte. Dabei erlernte er sein virtuoses Handwerk, auf das er heute praktisch blind und intuitiv zugreifen kann.
Werbung - zumindest auf einem hohen Niveau - schenkt dem Regisseur sehr viel Zeit und Mittel, um Ideen zur Perfektion zu bringen, ein Luxus den es bei Filmdrehs sehr selten gibt.
Film ist die teuerste Kunstform, bei manchen Großproduktionen arbeiten tageweise mehrere hundert Leute, um gewisse Momente möglich machen zu können, dazu kommen Motive, Sets, Ausstattung und Kostüm, Technik und Material - eine ungeheure Logistik, die über Monate, manchmal sogar über Jahre sauber geplant und vorbereitet werden muss.
Wenige Regisseure sind sich dessen bewusst und kommen schlecht oder gar nicht vorbereitet ans Set, probieren dann herum oder werden sich erst vor Ort klar, was sie wollen.
Das ist aus der Sicht eines Regisseurs absolut legitim, hat aber bereits den einen oder anderen Produzenten ruiniert.
High-End Werbung zu drehen, bedeutet hingegen, auf das beste und teuerste Personal zurückgreifen zu können, die optimale Technik einzusetzen und jedem Detail größtmögliche Aufmerksamkeit zukommen lassen zu können.
Mit diesen Voraussetzungen begann Scott, Spielfilme zu drehen, wo er sein Handwerk weiter entwickelte und sich voll entfaltete.
Wer ein Porträt erwartet, wird an anderen Stellen im Netz sicherlich fündig.
Der britische Regisseur und Produzent Ridley Scott ist einer der einflussreichsten Filmemacher der Gegenwart. Seine Filme haben mich immer wieder fasziniert, beeindruckt und geprägt. Nicht nur sein präzises, einzigartiges Handwerk, auch die Wahl seiner Stoffe und seine Arbeitsmethoden sind außergewöhnlich. Ridley Scott ist ein Ausnahmeregisseur, der das Kino zelebriert.
Vor kurzem arbeitete ich Scotts Oevre komplett durch und sah mir fast alle seine Filme unmittelbar zweimal hintereinander an - ohne und mit Regiekommentar. Scott ist einer der wenigen Regisseure, die fast alle ihrer Filme kommentiert haben.
Zusätzlich las ich, was im Netz verfügbar ist und sichtete auch zahlreiche Making Ofs und Hintergrundberichte, die es zu seinen Werken gibt.
Die aufschlussreichsten Informationen über seine Herangehensweisen und seine Methodik finden
sich in seinen Kommentaren.
Ridley Scott ist ausgebildeter Grafikdesigner und Maler, er studierte am Londoner Royal College of Art und hat ein unbestechliches Auge.
Er ist ein überragender und blitzschneller Zeichner, der binnen Minuten ganze Storyboards direkt am Set zeichnen kann.
Sein Einstieg in die Filmbranche erfolgte über eine Tätigkeit als Szenenbildner bei der BBC.
Vor seiner Kinokarriere drehte er nach eigenen Angaben über 2000 Werbespots, von denen er etliche auch selber fotografierte. Dabei erlernte er sein virtuoses Handwerk, auf das er heute praktisch blind und intuitiv zugreifen kann.
Werbung - zumindest auf einem hohen Niveau - schenkt dem Regisseur sehr viel Zeit und Mittel, um Ideen zur Perfektion zu bringen, ein Luxus den es bei Filmdrehs sehr selten gibt.
Film ist die teuerste Kunstform, bei manchen Großproduktionen arbeiten tageweise mehrere hundert Leute, um gewisse Momente möglich machen zu können, dazu kommen Motive, Sets, Ausstattung und Kostüm, Technik und Material - eine ungeheure Logistik, die über Monate, manchmal sogar über Jahre sauber geplant und vorbereitet werden muss.
Wenige Regisseure sind sich dessen bewusst und kommen schlecht oder gar nicht vorbereitet ans Set, probieren dann herum oder werden sich erst vor Ort klar, was sie wollen.
Das ist aus der Sicht eines Regisseurs absolut legitim, hat aber bereits den einen oder anderen Produzenten ruiniert.
High-End Werbung zu drehen, bedeutet hingegen, auf das beste und teuerste Personal zurückgreifen zu können, die optimale Technik einzusetzen und jedem Detail größtmögliche Aufmerksamkeit zukommen lassen zu können.
Mit diesen Voraussetzungen begann Scott, Spielfilme zu drehen, wo er sein Handwerk weiter entwickelte und sich voll entfaltete.
KAMERA, SCHAUSPIEL UND EFFIZIENZ
Anfangs schwenkte Ridley Scott einige seiner Filme selber, was ihm Ärger mit der Gewerkschaft einbrachte, Scott ist jedoch ein visueller Perfektionist, der aufgrund seiner massiven Erfahrung sehr schnell und absolut sicher arbeitet und manchen Kommunikationsprozess deswegen vermutlich schlicht und ergreifend für ineffizient hält, da er bestimmte Setups selber besser und schneller arrangieren, einleuchten und fotografieren konnte, als ein D.o.P. (Chefkameramann) oder Schwenker dies umzusetzen vermocht hätte.
Kommunikationsprozesse zwischen Regie und den verschiedenen Departments, aber auch den Schauspielern, sind manchmal kompliziert und langwierig, jeder Regisseur muss erst für sich herausfinden, wie er seine Kommunikation am Effizientesten und Effektivsten gestaltet.
Zudem ging es Scott beim Kameraführen stets um die Intimität mit den Schauspielerinnen und Schauspielern; durch den Kamerasucher spürt man tatsächlich sehr intensiv, wie ein Mensch wirkt, was er ausstrahlt und wie authentisch das Spiel ist.
Mit einiger Erfahrung kann man relativ schnell durch den Sucher erfühlen, ob eine Schauspielerin oder ein Schauspieler genügend Ausstrahlung hat, um beispielsweise eine große Kinoleinwand zu füllen und einen ganzen Film zu tragen.
Ein Lehrer an unserer Filmschule nannte dies das „Strahlen“ einer Person, das Starqualitäten ausmacht. Tatsächlich gibt es einige Menschen, die vor einer Bewegtbildkamera von einer charismatischen, leuchtenden Aura umgeben werden.
Dies liegt zum großen Teil an einer Ausstrahlung, einem Wesenskern, einer Gabe, die nicht erlernt werden kann.
Deswegen gibt es großartige Bühnenschauspieler, die aber vor einer Kamera nicht funktionieren.
Heutzutage sind die digitalen Videoausspiegelungen und HD-Monitore so brillant, dass man hierfür nicht mehr zwingend den Sucher braucht, jedoch ersetzen Monitore nicht die intime Verbindung und Spannung zwischen Schauspielerin/Schauspieler und Kamera, die man nur fühlt, wenn man direkt durch den Sucher sieht.
Ridley Scott gilt als einer der effizientesten Regisseure der Branche.
Er arbeitet stets mit mehreren Kameras, was er in Grundzügen bei der Aufzeichnung von Konzerten erlernte. Er stellt diese jedoch nicht beliebig und verschwenderisch auf, sondern weiß genau, welche Bildausschnitte er für die Erzählung benötigt.
Bei der Regie mehrerer Live-Shows und Sendungen konnte ich selber nicht nur verstehen, welchen Kick „live“ für das Arbeiten bedeutet, sondern auch lernen, wie verschiedene Situationen sehr effektiv mit mehreren Kameras festgehalten werden können.
Viele europäische und Arthouse-Kameraleute, die in der Regel nur mit einer Kamera arbeiten, tun sich anfangs schwer, das Licht so zu setzen, dass der Einsatz mehrerer Kameras auch reibungslos funktioniert.
Die Arbeit mit mehreren Kameras hat erhebliche Vorteile, insbesondere für die Schauspieler und somit auch für den Film.
Wenn man beispielsweise in einer Dialogszene mit mindestens zwei Kameras arbeitet, kann man gleichzeitig beide Seiten aufnehmen - die Momente bleiben frisch, Reaktionen authentisch.
Jeder Take variiert minimal, spätestens nach drei, vier Takes gehen die Frische und die Authentizität verloren.
Früher habe ich selber bei Dialogen alles möglichst vielfältig gecovert, was jedoch eine eindeutige Regieschwäche und ein Zeichen großer Unsicherheit ist.
Die Schauspieler, mit denen Ridley Scott arbeitet, sind natürlich perfekt vorbereitet.
Seine Arbeit mit den Schauspielern findet fast ausschließlich im Vorfeld der Drehs statt - Gespräche über die Figuren und bestimmte Momente, beim Dreh selber gibt es praktisch keine Spielproben, geprobt (bis auf technische Proben) wird an Scotts Drehorten kaum Beziehungsweise gar nicht.
Die wenigen Regieanweisungen, die Scott gibt, beschränken sich zumeist auf „langsamer“ oder „schneller“, was beispielsweise Anthony Hopkins sehr goutiert - da „nur der Regisseur das Tempo des Filmes kennt“.
Alles andere ist Job der Schauspielerin / des Schauspielers - entsprechende Vorbesprechungen natürlich vorausgesetzt.
Manchmal dreht er komplette Szenen in einem Take und macht dann direkt mit der nächsten Szene / Einstellung weiter.
Ridley Scott vertritt die Ansicht „Wenn Du mit mir arbeitest, sei besser vorbereitet“ - was nicht nur für die Schauspielerinnen und Schauspieler, sondern für alle Departments gilt. So kann er ein hohes Arbeitstempo gehen, was einen stetig hohen Energielevel erhält, in dem sich sein Team und die Schauspieler bewegen.
Oftmals ist er vor dem Zeitplan fertig und dreht dann zusätzliche Szenen.
Lange, ermüdende Drehpausen und Verzögerungen zerstören oftmals kreative Energie, in manchen Filmen kann man förmlich spüren, wie zäh und kompliziert die Dreharbeiten abliefen.
Kommunikationsprozesse zwischen Regie und den verschiedenen Departments, aber auch den Schauspielern, sind manchmal kompliziert und langwierig, jeder Regisseur muss erst für sich herausfinden, wie er seine Kommunikation am Effizientesten und Effektivsten gestaltet.
Zudem ging es Scott beim Kameraführen stets um die Intimität mit den Schauspielerinnen und Schauspielern; durch den Kamerasucher spürt man tatsächlich sehr intensiv, wie ein Mensch wirkt, was er ausstrahlt und wie authentisch das Spiel ist.
Mit einiger Erfahrung kann man relativ schnell durch den Sucher erfühlen, ob eine Schauspielerin oder ein Schauspieler genügend Ausstrahlung hat, um beispielsweise eine große Kinoleinwand zu füllen und einen ganzen Film zu tragen.
Ein Lehrer an unserer Filmschule nannte dies das „Strahlen“ einer Person, das Starqualitäten ausmacht. Tatsächlich gibt es einige Menschen, die vor einer Bewegtbildkamera von einer charismatischen, leuchtenden Aura umgeben werden.
Dies liegt zum großen Teil an einer Ausstrahlung, einem Wesenskern, einer Gabe, die nicht erlernt werden kann.
Deswegen gibt es großartige Bühnenschauspieler, die aber vor einer Kamera nicht funktionieren.
Heutzutage sind die digitalen Videoausspiegelungen und HD-Monitore so brillant, dass man hierfür nicht mehr zwingend den Sucher braucht, jedoch ersetzen Monitore nicht die intime Verbindung und Spannung zwischen Schauspielerin/Schauspieler und Kamera, die man nur fühlt, wenn man direkt durch den Sucher sieht.
Ridley Scott gilt als einer der effizientesten Regisseure der Branche.
Er arbeitet stets mit mehreren Kameras, was er in Grundzügen bei der Aufzeichnung von Konzerten erlernte. Er stellt diese jedoch nicht beliebig und verschwenderisch auf, sondern weiß genau, welche Bildausschnitte er für die Erzählung benötigt.
Bei der Regie mehrerer Live-Shows und Sendungen konnte ich selber nicht nur verstehen, welchen Kick „live“ für das Arbeiten bedeutet, sondern auch lernen, wie verschiedene Situationen sehr effektiv mit mehreren Kameras festgehalten werden können.
Viele europäische und Arthouse-Kameraleute, die in der Regel nur mit einer Kamera arbeiten, tun sich anfangs schwer, das Licht so zu setzen, dass der Einsatz mehrerer Kameras auch reibungslos funktioniert.
Die Arbeit mit mehreren Kameras hat erhebliche Vorteile, insbesondere für die Schauspieler und somit auch für den Film.
Wenn man beispielsweise in einer Dialogszene mit mindestens zwei Kameras arbeitet, kann man gleichzeitig beide Seiten aufnehmen - die Momente bleiben frisch, Reaktionen authentisch.
Jeder Take variiert minimal, spätestens nach drei, vier Takes gehen die Frische und die Authentizität verloren.
Früher habe ich selber bei Dialogen alles möglichst vielfältig gecovert, was jedoch eine eindeutige Regieschwäche und ein Zeichen großer Unsicherheit ist.
Die Schauspieler, mit denen Ridley Scott arbeitet, sind natürlich perfekt vorbereitet.
Seine Arbeit mit den Schauspielern findet fast ausschließlich im Vorfeld der Drehs statt - Gespräche über die Figuren und bestimmte Momente, beim Dreh selber gibt es praktisch keine Spielproben, geprobt (bis auf technische Proben) wird an Scotts Drehorten kaum Beziehungsweise gar nicht.
Die wenigen Regieanweisungen, die Scott gibt, beschränken sich zumeist auf „langsamer“ oder „schneller“, was beispielsweise Anthony Hopkins sehr goutiert - da „nur der Regisseur das Tempo des Filmes kennt“.
Alles andere ist Job der Schauspielerin / des Schauspielers - entsprechende Vorbesprechungen natürlich vorausgesetzt.
Manchmal dreht er komplette Szenen in einem Take und macht dann direkt mit der nächsten Szene / Einstellung weiter.
Ridley Scott vertritt die Ansicht „Wenn Du mit mir arbeitest, sei besser vorbereitet“ - was nicht nur für die Schauspielerinnen und Schauspieler, sondern für alle Departments gilt. So kann er ein hohes Arbeitstempo gehen, was einen stetig hohen Energielevel erhält, in dem sich sein Team und die Schauspieler bewegen.
Oftmals ist er vor dem Zeitplan fertig und dreht dann zusätzliche Szenen.
Lange, ermüdende Drehpausen und Verzögerungen zerstören oftmals kreative Energie, in manchen Filmen kann man förmlich spüren, wie zäh und kompliziert die Dreharbeiten abliefen.
ENTSCHEIDUNGEN
Jeder künstlerische Prozess ist ein Prozess des Weglassens.
Was zeige / behandle ich in meinem Werk, was ist überflüssig?
Kunst hat immer sehr viel mit Reduktion zu tun. Es gibt opulente Werke, die intensiv funktionieren, und nur bei genauer Betrachtung preisgeben, warum: weil sie einen sehr starken inhaltlichen und emotionalen Kern oder auch roten Faden haben.
Ohne diesen Kern ist ein zu opulentes Werk oder Projekt verwirrend, weist in zu viele verschiedene Richtungen, alles ist möglich. Der Zuschauer oder Rezipient weiß nicht, was eigentlich die Geschichte ist oder worum es gehen soll, er wird verwirrt statt berührt, informiert oder gut unterhalten.
Die Kernfindung ist ein intensiver Prozess des Entschälens, des Weglassens.
Regisseure und andere Künstler und Kreative müssen ständig inhaltliche Entscheidungen treffen - Instinkt ist hierbei gut, aber ungenügend. Oft entstehen so experimentelle Arbeiten.
Wissen und Intuition aufgrund umfangreicher Erfahrung sind die probateren Mittel, um die Entscheidungen zu treffen, die dem Werk die nötige Richtung geben.
Das Treffen von Entscheidungen ist ein elementarer Schaffensprozess, beim Filmemachen beginnt dies beim Schreiben, geht über Bildausschnitte beim Dreh und endet schließlich im Schnittraum.
Für Ridley Scott ist der Castingprozess der Schlüssel für seine Arbeit mit den Schauspielern - er castet extrem sorgfältig und betont die Wichtigkeit dieses Arbeitsschrittes immer wieder.
Bei der Besetzung von Prometheus traf er Noomi Rapace, die als Lisbeth Salander in der Millenium-Trilogie zu weltweiter Bekanntheit gelangt war. Scott erwartete eine abgefuckte, durchgeknallte Punk-Frau, traf jedoch auf eine elegante, in ein Chanel-Köstüm gekleidete, ernsthafte Schauspielerin, die ihn überzeugte und so die Hauptrolle in Prometheus bekam.
In Europa wird oft zu oberflächlich, zu kurz gecastet. Nicht alle Regisseure haben die Erfahrung, sofort zu wissen, wer die richtige Besetzung für ein bestimmtes Projekt ist. Manchmal liegt das Wesen der Figur auch noch nicht klar genug offen, oder im Casting zeigt eine bestimmte Schauspielerin oder auch Schauspieler das Fünkchen Seele, das die Figur erst lebendig macht. Auch besteht die Gefahr, befreundete Schauspieler für bestimmte Rollen zu besetzen, obwohl andere besser geeignet wären.
Intensiv zu casten, bedeutet zu proben, herauszufinden ob die Schauspielerin oder der Schauspieler nicht nur das emotionale Spektrum einer Figur glaubhaft vor der Kamera leben kann, sondern auch herauszufinden, ob ihre / seine Präsenz und Handwerk so ausgeprägt sind, dass sie zum geplanten Film passen.
Männliche Regisseure neigen zudem gerne dazu, Frauenrollen „mit ihren Eiern“ zu casten, eine Schauspielerin sagte mir einmal, dass sie überzeugt sei, dass viele Regisseure nur deswegen Regisseure werden, um ins Bett zu kriegen, wen sie wollen.
Dieses Entscheidungskriterium ist jedoch in den seltensten Fällen für das Projekt zielführend, zerstört manche Filme sogar komplett.
Natürlich muss ein Regisseur sich in seine Figuren gewissermaßen verlieben, was auch gerne zu Spannungen in Beziehungen führen kann. Aber ohne sich in eine Figur zu verlieben, sie zu akzeptieren und zu verstehen, sie vollkommen anzunehmen, entstehen schnell Abziehbilder.
Man urteilt oder verurteilt seine Figuren, man erdrückt die Wahrhaftigkeit eines Charakters und schafft unbewusst Stereotypen.
Nur wenn man bereit ist, bis in die tiefsten Abgründe und Antriebe eines Menschen zu schauen, kann man plastische, wahrhaftige Charaktere schaffen.
Das Offensichtliche, Oberflächliche ist voller Masken, Lügen und Versteckspiel. Man wäre schlecht beraten, nur nach einem Instinkt oder Schlüsselreiz zu besetzen.
Beim Casting gilt es - zumindest für mich - zu sehen, ob die Schauspielerin oder der Schauspieler aufgrund eigener Erfahrungen das komplette emotionale Spektrum des Charakters erfassen und für die Kamera geeignet zeigen kann.
Was zeige / behandle ich in meinem Werk, was ist überflüssig?
Kunst hat immer sehr viel mit Reduktion zu tun. Es gibt opulente Werke, die intensiv funktionieren, und nur bei genauer Betrachtung preisgeben, warum: weil sie einen sehr starken inhaltlichen und emotionalen Kern oder auch roten Faden haben.
Ohne diesen Kern ist ein zu opulentes Werk oder Projekt verwirrend, weist in zu viele verschiedene Richtungen, alles ist möglich. Der Zuschauer oder Rezipient weiß nicht, was eigentlich die Geschichte ist oder worum es gehen soll, er wird verwirrt statt berührt, informiert oder gut unterhalten.
Die Kernfindung ist ein intensiver Prozess des Entschälens, des Weglassens.
Regisseure und andere Künstler und Kreative müssen ständig inhaltliche Entscheidungen treffen - Instinkt ist hierbei gut, aber ungenügend. Oft entstehen so experimentelle Arbeiten.
Wissen und Intuition aufgrund umfangreicher Erfahrung sind die probateren Mittel, um die Entscheidungen zu treffen, die dem Werk die nötige Richtung geben.
Das Treffen von Entscheidungen ist ein elementarer Schaffensprozess, beim Filmemachen beginnt dies beim Schreiben, geht über Bildausschnitte beim Dreh und endet schließlich im Schnittraum.
Für Ridley Scott ist der Castingprozess der Schlüssel für seine Arbeit mit den Schauspielern - er castet extrem sorgfältig und betont die Wichtigkeit dieses Arbeitsschrittes immer wieder.
Bei der Besetzung von Prometheus traf er Noomi Rapace, die als Lisbeth Salander in der Millenium-Trilogie zu weltweiter Bekanntheit gelangt war. Scott erwartete eine abgefuckte, durchgeknallte Punk-Frau, traf jedoch auf eine elegante, in ein Chanel-Köstüm gekleidete, ernsthafte Schauspielerin, die ihn überzeugte und so die Hauptrolle in Prometheus bekam.
In Europa wird oft zu oberflächlich, zu kurz gecastet. Nicht alle Regisseure haben die Erfahrung, sofort zu wissen, wer die richtige Besetzung für ein bestimmtes Projekt ist. Manchmal liegt das Wesen der Figur auch noch nicht klar genug offen, oder im Casting zeigt eine bestimmte Schauspielerin oder auch Schauspieler das Fünkchen Seele, das die Figur erst lebendig macht. Auch besteht die Gefahr, befreundete Schauspieler für bestimmte Rollen zu besetzen, obwohl andere besser geeignet wären.
Intensiv zu casten, bedeutet zu proben, herauszufinden ob die Schauspielerin oder der Schauspieler nicht nur das emotionale Spektrum einer Figur glaubhaft vor der Kamera leben kann, sondern auch herauszufinden, ob ihre / seine Präsenz und Handwerk so ausgeprägt sind, dass sie zum geplanten Film passen.
Männliche Regisseure neigen zudem gerne dazu, Frauenrollen „mit ihren Eiern“ zu casten, eine Schauspielerin sagte mir einmal, dass sie überzeugt sei, dass viele Regisseure nur deswegen Regisseure werden, um ins Bett zu kriegen, wen sie wollen.
Dieses Entscheidungskriterium ist jedoch in den seltensten Fällen für das Projekt zielführend, zerstört manche Filme sogar komplett.
Natürlich muss ein Regisseur sich in seine Figuren gewissermaßen verlieben, was auch gerne zu Spannungen in Beziehungen führen kann. Aber ohne sich in eine Figur zu verlieben, sie zu akzeptieren und zu verstehen, sie vollkommen anzunehmen, entstehen schnell Abziehbilder.
Man urteilt oder verurteilt seine Figuren, man erdrückt die Wahrhaftigkeit eines Charakters und schafft unbewusst Stereotypen.
Nur wenn man bereit ist, bis in die tiefsten Abgründe und Antriebe eines Menschen zu schauen, kann man plastische, wahrhaftige Charaktere schaffen.
Das Offensichtliche, Oberflächliche ist voller Masken, Lügen und Versteckspiel. Man wäre schlecht beraten, nur nach einem Instinkt oder Schlüsselreiz zu besetzen.
Beim Casting gilt es - zumindest für mich - zu sehen, ob die Schauspielerin oder der Schauspieler aufgrund eigener Erfahrungen das komplette emotionale Spektrum des Charakters erfassen und für die Kamera geeignet zeigen kann.
VISION
Ridley Scott hat die für einen Regisseur unerlässliche Fähigkeit des „Envisonings“ - des Findens seiner Vision für ein bestimmtes Projekt.
Ich kann nicht in Ridley Scotts Kopf oder Herz sehen, aber die visionäre Fähigkeit eines Regisseurs hat zum einen mit Talent, der nicht erlernbaren Gabe einer großen visuellen Vorstellungskraft, zudem mit Phantasie und natürlich mit umfangreichen Erfahrungswerten zu tun.
Manche Regisseure oder visuell arbeitende Künstler, die nicht über Ridley Scotts Gabe verfügen, sammeln unzählige Erfahrungen und vergleichen dann blitzschnell ihre Regie- und Lebenserfahrung, gleichen vor dem geistigen Auge ab, erkennen aus Vergangenem die eine oder mehrere richtige Lösungen für eine Szene, einen Moment, oder auch eine komplette Kulisse.
Viele kreative Prozesse, aber auch wissenschaftliche Prozesse werden von außen nach innen geführt. Das ist hilfreich in einer Vorbereitungsphase, wird jedoch gerade beim Film schmerzhaft teuer, wenn dies erst beim Dreh geschieht. (Mehr dazu im späteren Artikel Projektkern - Idee und Thema.)
Es ist dabei egal, ob es sich um ein fiktionales oder auch ein dokumentarisches Projekt handelt, der Unterschied zwischen fiktional und dokumentarisch ist lediglich, dass das dokumentarische Projekt aufgrund der kleineren Teams, weniger Ausstattung etc. einen theoretisch größeren finanziellen Handlungsspielraum und damit größere Freiheiten hat.
Dies wird oftmals von unerfahrenen Filmemachern missbraucht, alles auf den Entstehungsprozess abzuwälzen und ersetzt weder Projektkern, noch Haltung, noch tiefe Recherche, noch Vision.
Ridley Scott arbeitet meistens absolut von innen, er findet den Kern seiner Geschichte, wählt sein Material sehr sorgfältig oder entwickelt Stoffe mit den besten Drehbuchautoren der Welt.
Dann recherchiert er, besetzt, zeichnet die Storyboards und weiß eigentlich schon, wie der Film aussieht (oder zumindest wichtige Momente), bevor er überhaupt auf Motivsuche geht.
Wenn Scott dreht, weiß er praktisch „alles über alles“, wie er z.B. im Regiekommentar von Der Mann, der niemals lebte (Body of Lies) betont. Er eignet sich ein so tiefes Wissen über das, was er erzählen will an, dass er immer weiß, was zu passieren hat.
Das ist eine tragende Säule für seine komplette Arbeit am Set.
Regisseure, die improvisieren, improvisieren oft aus Unfähigkeit und Unwissenheit. Wahre Improvisation funktioniert bei einem Filmdreh nur, wenn man ganz genau seine Geschichte, Motive und Ziele der Figuren sowie die gesamte Materie bis in den letzten Winkel kennt. Wer umfangreich und tief vorbereitet ist, kann jederzeit improvisieren und weiß intuitiv, was er oder sie zu tun hat, um den aufzunehmenden Moment so wahrhaftig wie möglich zu gestalten.
Scott sagt selber, er kann in eine Location gehen, die er nie zuvor gesehen hat, sieht sich den Ort einmal kurz an und kann sofort die Kameras mit den entsprechenden Brennweiten aufstellen, um eine Szene funktionierend zu erzählen.
Dies ist eine Fähigkeit, die er sich in zahllosen Drehsituationen evolutionär erarbeitet hat.
Genialität bei Filmschaffenden bedeutet nichts anderes als Hingabe, Handwerk und Lebenserfahrung, diese Dinge führen zu intuitivem, effizienten Arbeiten.
Und ein Regisseur braucht natürlich einen unerschütterlichen Glauben an das, was er (oder sie) tut.
Für eine Vision muss man fühlen, was der Kern eines Projektes ist und sein komplettes Herzblut und all sein Können selbstlos hingeben.
Wie in der Liebe bedeutet Hingabe in diesem Fall das Aufgeben aller inneren und äußeren Widerstände gegenüber dem Projekt oder dem Werk.
Dann entstehen künstlerischer Flow und wahrhaftige, wunderschöne Momente - im Prozess und im vollendeten Werk.
Ein Lehrer an unserer Filmschule fasste dies in einem Satz zusammen:
Listen to the material, once it is found. The material is always wiser than you (are).
Das genaue Hinhören hilft beim Finden der Vision; hat man seine Vision bereits gefunden, hilft das Hinhören, um feine Nuancen, Zwischentöne und Wahrheiten zu erkennen.
Auf das Material zu hören ist nichts anderes als Hingabe.
Ich kann nicht in Ridley Scotts Kopf oder Herz sehen, aber die visionäre Fähigkeit eines Regisseurs hat zum einen mit Talent, der nicht erlernbaren Gabe einer großen visuellen Vorstellungskraft, zudem mit Phantasie und natürlich mit umfangreichen Erfahrungswerten zu tun.
Manche Regisseure oder visuell arbeitende Künstler, die nicht über Ridley Scotts Gabe verfügen, sammeln unzählige Erfahrungen und vergleichen dann blitzschnell ihre Regie- und Lebenserfahrung, gleichen vor dem geistigen Auge ab, erkennen aus Vergangenem die eine oder mehrere richtige Lösungen für eine Szene, einen Moment, oder auch eine komplette Kulisse.
Viele kreative Prozesse, aber auch wissenschaftliche Prozesse werden von außen nach innen geführt. Das ist hilfreich in einer Vorbereitungsphase, wird jedoch gerade beim Film schmerzhaft teuer, wenn dies erst beim Dreh geschieht. (Mehr dazu im späteren Artikel Projektkern - Idee und Thema.)
Es ist dabei egal, ob es sich um ein fiktionales oder auch ein dokumentarisches Projekt handelt, der Unterschied zwischen fiktional und dokumentarisch ist lediglich, dass das dokumentarische Projekt aufgrund der kleineren Teams, weniger Ausstattung etc. einen theoretisch größeren finanziellen Handlungsspielraum und damit größere Freiheiten hat.
Dies wird oftmals von unerfahrenen Filmemachern missbraucht, alles auf den Entstehungsprozess abzuwälzen und ersetzt weder Projektkern, noch Haltung, noch tiefe Recherche, noch Vision.
Ridley Scott arbeitet meistens absolut von innen, er findet den Kern seiner Geschichte, wählt sein Material sehr sorgfältig oder entwickelt Stoffe mit den besten Drehbuchautoren der Welt.
Dann recherchiert er, besetzt, zeichnet die Storyboards und weiß eigentlich schon, wie der Film aussieht (oder zumindest wichtige Momente), bevor er überhaupt auf Motivsuche geht.
Wenn Scott dreht, weiß er praktisch „alles über alles“, wie er z.B. im Regiekommentar von Der Mann, der niemals lebte (Body of Lies) betont. Er eignet sich ein so tiefes Wissen über das, was er erzählen will an, dass er immer weiß, was zu passieren hat.
Das ist eine tragende Säule für seine komplette Arbeit am Set.
Regisseure, die improvisieren, improvisieren oft aus Unfähigkeit und Unwissenheit. Wahre Improvisation funktioniert bei einem Filmdreh nur, wenn man ganz genau seine Geschichte, Motive und Ziele der Figuren sowie die gesamte Materie bis in den letzten Winkel kennt. Wer umfangreich und tief vorbereitet ist, kann jederzeit improvisieren und weiß intuitiv, was er oder sie zu tun hat, um den aufzunehmenden Moment so wahrhaftig wie möglich zu gestalten.
Scott sagt selber, er kann in eine Location gehen, die er nie zuvor gesehen hat, sieht sich den Ort einmal kurz an und kann sofort die Kameras mit den entsprechenden Brennweiten aufstellen, um eine Szene funktionierend zu erzählen.
Dies ist eine Fähigkeit, die er sich in zahllosen Drehsituationen evolutionär erarbeitet hat.
Genialität bei Filmschaffenden bedeutet nichts anderes als Hingabe, Handwerk und Lebenserfahrung, diese Dinge führen zu intuitivem, effizienten Arbeiten.
Und ein Regisseur braucht natürlich einen unerschütterlichen Glauben an das, was er (oder sie) tut.
Für eine Vision muss man fühlen, was der Kern eines Projektes ist und sein komplettes Herzblut und all sein Können selbstlos hingeben.
Wie in der Liebe bedeutet Hingabe in diesem Fall das Aufgeben aller inneren und äußeren Widerstände gegenüber dem Projekt oder dem Werk.
Dann entstehen künstlerischer Flow und wahrhaftige, wunderschöne Momente - im Prozess und im vollendeten Werk.
Ein Lehrer an unserer Filmschule fasste dies in einem Satz zusammen:
Listen to the material, once it is found. The material is always wiser than you (are).
Das genaue Hinhören hilft beim Finden der Vision; hat man seine Vision bereits gefunden, hilft das Hinhören, um feine Nuancen, Zwischentöne und Wahrheiten zu erkennen.
Auf das Material zu hören ist nichts anderes als Hingabe.
MATERIAL
Was genau ist das Material bei einem Film?
Die Idee und das Drehbuch sind sicherlich essentielle Teile des Materials, aber nur der Grundstock.
Ridley Scott vertraut seinen Drehbüchern vollkommen, zurecht vertritt er den Standpunkt, dass ein Infragestellen des Buches während des Drehs nur Schwierigkeiten und massive Probleme verursacht.
Ich habe selber manchmal den Fehler gemacht, entweder den Geschichtskern noch nicht zu kennen oder aber während Dreharbeiten meinem Material nicht mehr zu vertrauen. Dies führt zu endlosen Orgien in Schnitträumen, zusammengeschusterten Werken, die nur mit Biegen und Brechen funktionieren oder komplett ruinierten Experimenten.
Vertrauen, Selbstvertrauen ist elementar in allen schöpferischen Prozessen.
Für die Arbeit mit Schauspielern beispielsweise ist Vertrauen das Allerwichtigste.
Vertraut die Schauspielerin / der Schauspieler dem Regisseur (natürlich auch der Regisseurin), öffnet sie / er sich. Ohne Vertrauen entsteht keine Intensität.
Stimmt das Vertrauen zwischen Regie und Akteuren vor der Kamera, entstehen intime, wahrhaftige, prächtige Momente, für immer festgehalten.
Die Darsteller sind ein immenser Teil des Materials. Deswegen wählt Ridley Scott sie so sorgfältig aus.
Tiefe und Detailreichtum, Authentizität und menschliche Wahrhaftigkeit des Materials sind ein weiteres Qualitätsmerkmal in Scotts Arbeiten.
Dies beginnt bereits bei der Auswahl oder dem Bau seiner Drehorte, dem Detail seiner Ausstattung, der Glaubwürdigkeit seiner Darsteller, die stets von Experten und Beratern vorbereitet und unterstützt werden.
Dabei vergisst Ridley Scott jedoch nie, dass die innere Plausibilität der Geschichte immer wichtiger als die äußere ist.
In Gladiator erfand er ein Straßencafé, was es in dieser Epoche noch nicht gab. Er brauchte dieses Setting jedoch, um ein Szene möglichst atmosphärisch und wahrhaftig für die Geschichte zu erzählen.
Er entschied sich gegen einen historischen Fakt, um die Geschichte bestmöglich inszenieren zu können. Niemand stört sich daran, ist der Zuschauer doch bereit, den Figuren zu folgen und mit ihnen mitzugehen.
Auch dies ist ein Entscheidungsprozess, der nur durch Wissen und Intuition getroffen werden kann, in diesem Fall dem Wissen über filmisches Storytelling.
Ein unerfahrenerer Regisseur hätte vielleicht geschichtliche Wahrheiten über die Wahrhaftigkeit der Geschichte gestellt, was man oft in sehr steifen, gestellt wirkenden Szenen in schlecht gemachten Filmen sehen kann.
Scott hörte jedoch auf das Material, seine Vision.
Das Material ist praktisch ALLES, was zum künstlerischen Entstehungsprozess dazu gehört - da künstlerische Filme bestimmte Sachverhalte und Wahrheiten unseres Lebens abbilden.
Wer dies wie Ridley Scott handwerklich und intuitiv meisterhaft kondensieren und komprimieren kann, hat das Rüstzeug, außergewöhnliche Werke zu schaffen.
Die Idee und das Drehbuch sind sicherlich essentielle Teile des Materials, aber nur der Grundstock.
Ridley Scott vertraut seinen Drehbüchern vollkommen, zurecht vertritt er den Standpunkt, dass ein Infragestellen des Buches während des Drehs nur Schwierigkeiten und massive Probleme verursacht.
Ich habe selber manchmal den Fehler gemacht, entweder den Geschichtskern noch nicht zu kennen oder aber während Dreharbeiten meinem Material nicht mehr zu vertrauen. Dies führt zu endlosen Orgien in Schnitträumen, zusammengeschusterten Werken, die nur mit Biegen und Brechen funktionieren oder komplett ruinierten Experimenten.
Vertrauen, Selbstvertrauen ist elementar in allen schöpferischen Prozessen.
Für die Arbeit mit Schauspielern beispielsweise ist Vertrauen das Allerwichtigste.
Vertraut die Schauspielerin / der Schauspieler dem Regisseur (natürlich auch der Regisseurin), öffnet sie / er sich. Ohne Vertrauen entsteht keine Intensität.
Stimmt das Vertrauen zwischen Regie und Akteuren vor der Kamera, entstehen intime, wahrhaftige, prächtige Momente, für immer festgehalten.
Die Darsteller sind ein immenser Teil des Materials. Deswegen wählt Ridley Scott sie so sorgfältig aus.
Tiefe und Detailreichtum, Authentizität und menschliche Wahrhaftigkeit des Materials sind ein weiteres Qualitätsmerkmal in Scotts Arbeiten.
Dies beginnt bereits bei der Auswahl oder dem Bau seiner Drehorte, dem Detail seiner Ausstattung, der Glaubwürdigkeit seiner Darsteller, die stets von Experten und Beratern vorbereitet und unterstützt werden.
Dabei vergisst Ridley Scott jedoch nie, dass die innere Plausibilität der Geschichte immer wichtiger als die äußere ist.
In Gladiator erfand er ein Straßencafé, was es in dieser Epoche noch nicht gab. Er brauchte dieses Setting jedoch, um ein Szene möglichst atmosphärisch und wahrhaftig für die Geschichte zu erzählen.
Er entschied sich gegen einen historischen Fakt, um die Geschichte bestmöglich inszenieren zu können. Niemand stört sich daran, ist der Zuschauer doch bereit, den Figuren zu folgen und mit ihnen mitzugehen.
Auch dies ist ein Entscheidungsprozess, der nur durch Wissen und Intuition getroffen werden kann, in diesem Fall dem Wissen über filmisches Storytelling.
Ein unerfahrenerer Regisseur hätte vielleicht geschichtliche Wahrheiten über die Wahrhaftigkeit der Geschichte gestellt, was man oft in sehr steifen, gestellt wirkenden Szenen in schlecht gemachten Filmen sehen kann.
Scott hörte jedoch auf das Material, seine Vision.
Das Material ist praktisch ALLES, was zum künstlerischen Entstehungsprozess dazu gehört - da künstlerische Filme bestimmte Sachverhalte und Wahrheiten unseres Lebens abbilden.
Wer dies wie Ridley Scott handwerklich und intuitiv meisterhaft kondensieren und komprimieren kann, hat das Rüstzeug, außergewöhnliche Werke zu schaffen.
DREI PHASEN
Laut Ridley Scott besteht die Arbeit des Regisseurs aus drei Phasen:
Vorproduktion, Dreh und Postproduktion.
Dies liegt eigentlich klar auf der Hand, doch wie wenige Regisseure gibt es tatsächlich, die diese drei Phasen komplett beherrschen?
Natürlich gehört auch die Auswahl des Stoffes oder die Drehbuch- / Entwicklungsarbeit mit zu den wesentlichen Aspekten der Regiearbeit.
Bei der Wahl seines Materials vertraut Scott auf sein Bauchgefühl, parallel lässt er sehr erfolgreiche Drehbuchautoren mehrere Stoffe gleichzeitig entwickeln.
Die eigentliche Regiearbeit findet bei Scott, wie auch bei Hitchcock und anderen Meisterregisseuren zu wesentlichen Teilen in der Vorproduktion statt.
Befindet sich das Team erstmal am Set, läuft die Gelduhr gnadenlos.
Das Set ist kein Ort für Improvisation, Geschichtsfindung, elementare technische Lösungsfindungen oder das Erarbeiten von einem Storytelling-Modell.
Mit einer soliden Vorbereitung ergeben sich dennoch immer wieder spontane, improvisiert wirkende, frische Momente, da dem Regisseur die Basis, das Fundament des Projektes bewusst und unterbewusst bekannt ist und er dadurch maximale Freiheiten innerhalb des Erzählsystems zulassen kann.
Ein Regisseur mit Vision, der sich beim Dreh komplett hingibt, spürt sofort falsche Töne oder Momente und weiß, wie er seinen Schauspielern und Teammitgleidern helfen kann, das Richtige zu tun, weil er den Kern des Projektes / der Geschichte / des Filmes und das gesamte Material kennt.
Pre-Production:
stetige Auseinandersetzung mit der zu erzählenden Geschichte, Erkennen der wesentlichen Kernmerkmale
tiefe Recherche (Scott: „Alles über alles wissen“)
Findung der Vision und des bestimmenden Gefühls
Definition von Stimmung (Mood) und Tempo (Pace), wozu auch sicherlich der Rhythmus gehört
Casting
intensive Figurengespräche mit den Darstellern, Vertrauensaufbau
Definition des Looks (Fotografie, Farben, Erzählcodes, Ausstattung, Kostüm etc.)
Auflösung, Prävisualisierung / Storyboards
Kommunikation mit allen Kerndepartments, Teambuilding (Scott hat sich die Möglichkeit erarbeitet, nur mit den Besten der Branche und in ihrem Fachbereich zusammenzuarbeiten. Das geballte Wissen und Können befruchtet - trotz etlicher Reibungen - jeden kreativen Prozess, wenn der Regisseur nicht falschen Stolz, Narzissmus und Eitelkeit mit dem Regisseurdasein verwechselt)
maximale technische Vorbereitung
Drehortauswahl / Überwachung und Anleitung für die Konstruktion und Ausstattung von Sets
mehrmalige oder zumindest intensive Drehortbegehungen mit den Departmentköpfen, Klärung aller Fragen, Besprechung von Kamerawinkeln, Licht, Farben und Dekor
Festlegung von technischem Material
Drehplanung
Risiko- und Problemevaluierung, Erwägung von Alternativszenarien (Scott bringt die Risiko-Essenz von Filmdrehs wunderbar auf den Punkt: Dreharbeiten sind Murphy's Law pur: alles was schief gehen kann, wird schief gehen. Nicht jedes Problem lässt sich im Vorfeld eliminieren, allerdings hilft es auch hier, absolut zu wissen und zu fühlen, was man zu tun hat. Man improvisiert um Probleme herum, ohne aber das Projekt zu verletzen - im Gegenteil - oft sind spontane Entscheidungen - im möglichen Rahmen - etwas Frisches, Bereicherndes, Originelles. Aus Mangel spontan etwas Neues schaffen zu können, ist eine großartige Qualität, die aber nur hilft, wenn diese Improvisation dem Projekt zuträglich ist.)
stetige Überprüfung und Justierung der Vision - funktionieren Geschichte und alle Zutaten, das Material?
stetige Überprüfung der Wahrhaftigkeit des Materials und der angedachten Erzählung
genaues Wissen und klares Fühlen, was zu erzählen ist
Hingabe und Loslassen
Dreh:
Vertrauen auf Buch und Material
absolute Konzentration und Leistungsbereitschaft, Aufmerksamkeit, Wachsamkeit
Freude (Scott dreht gerne selber Second-Unit Aufnahmen, da es dort oft viel Action gibt und er es mag, wenn es kracht)
Reduktion auf das Wesentliche, Vermeidung unnützer Nebenschauplätze
Findung von Arbeitstempo und Rhythmus (bei Ridley Scott immer sehr hohes Tempo)
intuitives Handwerk als Grundvoraussetzung (Scott kennt Wirkung und Einsatzmöglichkeit jeder Brennweite, jeder Farbe, jedes Gegenstandes, jeder Proportion, jeder Bewegung. Insbesondere Maler haben oftmals ein bemerkenswertes Gespür für diese Dinge)
Detailliebe für alles, was im Bild zu sehen ist
Wissen und fühlen, was passiert und was zu passieren hat, Kontrolle des Geschehens
Postproduktion
Über die Postproduktion selber sagt Scott nicht viel Konkretes, außer dass der Prozess sehr wichtig ist, da hier alles zusammengefügt wird.
Er lässt unterschwellig durchscheinen, dass er kein großer Fan von Testscreenings ist, die in der Regel am Ende des Schnittprozesses stattfinden.
Bei Alien und Blade Runner gab es noch kein CGI (digitale visuelle Effekte), er löste alles analog und durch Kameratricks.
Ridley Scott ist ein großer Fan von „In Camera“, alles, was mit der Kamera am Drehort gefilmt werden kann, nimmt er auch auf diese Weise auf. Diesen Anspruch betont er auch an einer Stelle in Thelma & Louise, wenngleich er in späteren Arbeiten öfter auf CGI zurückgreift, Prometheus wäre ohne CGI undenkbar.
Er wiederholt mehrmals, dass jedes Bildelement, das real ist, Authentizität und Wahrhaftigkeit schafft.
Über Musik äußert sich Scott hingegen mehrmals und sehr detailliert.
Musik ist für Ridley Scott ein sehr wichtiges Erzählmoment, er hält nichts von Filmemachern und Komponisten, die die signifikante Bedeutung von Musik in Filmen negieren oder ablehnen.
Über diesen Standpunkt mag man einer anderen Ansicht sein, jedoch habe ich nicht das Gefühl, dass Scott mit seinen Musikeinsätzen falsche oder übergewichtete Sentimentalität erzeugt.
Musik geht direkt ins Unterbewusstsein, sie durchläuft keinen visuellen Filterungsprozess im Gehirn.
Musik schafft sofort Emotionen, mit ihr lassen sich Szenen oder komplette Spannungs- und Geschichtsbögen sehr effizient aufbauen, Momente und komplette Filme auflösen.
Der Musik misst Scott deswegen eine sehr hohe Bedeutung zu, einer höheren als dem Dialog.
Er geht sogar so weit, den Dialog als Musik einer Szene zu beschreiben, jeder Film braucht mindestens EINE Stimme (eines Protagonisten), um als Spielfilm wahrgenommen zu werden.
Für Ridely Scott ist Film Bild und Musik.
Vorproduktion, Dreh und Postproduktion.
Dies liegt eigentlich klar auf der Hand, doch wie wenige Regisseure gibt es tatsächlich, die diese drei Phasen komplett beherrschen?
Natürlich gehört auch die Auswahl des Stoffes oder die Drehbuch- / Entwicklungsarbeit mit zu den wesentlichen Aspekten der Regiearbeit.
Bei der Wahl seines Materials vertraut Scott auf sein Bauchgefühl, parallel lässt er sehr erfolgreiche Drehbuchautoren mehrere Stoffe gleichzeitig entwickeln.
Die eigentliche Regiearbeit findet bei Scott, wie auch bei Hitchcock und anderen Meisterregisseuren zu wesentlichen Teilen in der Vorproduktion statt.
Befindet sich das Team erstmal am Set, läuft die Gelduhr gnadenlos.
Das Set ist kein Ort für Improvisation, Geschichtsfindung, elementare technische Lösungsfindungen oder das Erarbeiten von einem Storytelling-Modell.
Mit einer soliden Vorbereitung ergeben sich dennoch immer wieder spontane, improvisiert wirkende, frische Momente, da dem Regisseur die Basis, das Fundament des Projektes bewusst und unterbewusst bekannt ist und er dadurch maximale Freiheiten innerhalb des Erzählsystems zulassen kann.
Ein Regisseur mit Vision, der sich beim Dreh komplett hingibt, spürt sofort falsche Töne oder Momente und weiß, wie er seinen Schauspielern und Teammitgleidern helfen kann, das Richtige zu tun, weil er den Kern des Projektes / der Geschichte / des Filmes und das gesamte Material kennt.
Pre-Production:
stetige Auseinandersetzung mit der zu erzählenden Geschichte, Erkennen der wesentlichen Kernmerkmale
tiefe Recherche (Scott: „Alles über alles wissen“)
Findung der Vision und des bestimmenden Gefühls
Definition von Stimmung (Mood) und Tempo (Pace), wozu auch sicherlich der Rhythmus gehört
Casting
intensive Figurengespräche mit den Darstellern, Vertrauensaufbau
Definition des Looks (Fotografie, Farben, Erzählcodes, Ausstattung, Kostüm etc.)
Auflösung, Prävisualisierung / Storyboards
Kommunikation mit allen Kerndepartments, Teambuilding (Scott hat sich die Möglichkeit erarbeitet, nur mit den Besten der Branche und in ihrem Fachbereich zusammenzuarbeiten. Das geballte Wissen und Können befruchtet - trotz etlicher Reibungen - jeden kreativen Prozess, wenn der Regisseur nicht falschen Stolz, Narzissmus und Eitelkeit mit dem Regisseurdasein verwechselt)
maximale technische Vorbereitung
Drehortauswahl / Überwachung und Anleitung für die Konstruktion und Ausstattung von Sets
mehrmalige oder zumindest intensive Drehortbegehungen mit den Departmentköpfen, Klärung aller Fragen, Besprechung von Kamerawinkeln, Licht, Farben und Dekor
Festlegung von technischem Material
Drehplanung
Risiko- und Problemevaluierung, Erwägung von Alternativszenarien (Scott bringt die Risiko-Essenz von Filmdrehs wunderbar auf den Punkt: Dreharbeiten sind Murphy's Law pur: alles was schief gehen kann, wird schief gehen. Nicht jedes Problem lässt sich im Vorfeld eliminieren, allerdings hilft es auch hier, absolut zu wissen und zu fühlen, was man zu tun hat. Man improvisiert um Probleme herum, ohne aber das Projekt zu verletzen - im Gegenteil - oft sind spontane Entscheidungen - im möglichen Rahmen - etwas Frisches, Bereicherndes, Originelles. Aus Mangel spontan etwas Neues schaffen zu können, ist eine großartige Qualität, die aber nur hilft, wenn diese Improvisation dem Projekt zuträglich ist.)
stetige Überprüfung und Justierung der Vision - funktionieren Geschichte und alle Zutaten, das Material?
stetige Überprüfung der Wahrhaftigkeit des Materials und der angedachten Erzählung
genaues Wissen und klares Fühlen, was zu erzählen ist
Hingabe und Loslassen
Dreh:
Vertrauen auf Buch und Material
absolute Konzentration und Leistungsbereitschaft, Aufmerksamkeit, Wachsamkeit
Freude (Scott dreht gerne selber Second-Unit Aufnahmen, da es dort oft viel Action gibt und er es mag, wenn es kracht)
Reduktion auf das Wesentliche, Vermeidung unnützer Nebenschauplätze
Findung von Arbeitstempo und Rhythmus (bei Ridley Scott immer sehr hohes Tempo)
intuitives Handwerk als Grundvoraussetzung (Scott kennt Wirkung und Einsatzmöglichkeit jeder Brennweite, jeder Farbe, jedes Gegenstandes, jeder Proportion, jeder Bewegung. Insbesondere Maler haben oftmals ein bemerkenswertes Gespür für diese Dinge)
Detailliebe für alles, was im Bild zu sehen ist
Wissen und fühlen, was passiert und was zu passieren hat, Kontrolle des Geschehens
Postproduktion
Über die Postproduktion selber sagt Scott nicht viel Konkretes, außer dass der Prozess sehr wichtig ist, da hier alles zusammengefügt wird.
Er lässt unterschwellig durchscheinen, dass er kein großer Fan von Testscreenings ist, die in der Regel am Ende des Schnittprozesses stattfinden.
Bei Alien und Blade Runner gab es noch kein CGI (digitale visuelle Effekte), er löste alles analog und durch Kameratricks.
Ridley Scott ist ein großer Fan von „In Camera“, alles, was mit der Kamera am Drehort gefilmt werden kann, nimmt er auch auf diese Weise auf. Diesen Anspruch betont er auch an einer Stelle in Thelma & Louise, wenngleich er in späteren Arbeiten öfter auf CGI zurückgreift, Prometheus wäre ohne CGI undenkbar.
Er wiederholt mehrmals, dass jedes Bildelement, das real ist, Authentizität und Wahrhaftigkeit schafft.
Über Musik äußert sich Scott hingegen mehrmals und sehr detailliert.
Musik ist für Ridley Scott ein sehr wichtiges Erzählmoment, er hält nichts von Filmemachern und Komponisten, die die signifikante Bedeutung von Musik in Filmen negieren oder ablehnen.
Über diesen Standpunkt mag man einer anderen Ansicht sein, jedoch habe ich nicht das Gefühl, dass Scott mit seinen Musikeinsätzen falsche oder übergewichtete Sentimentalität erzeugt.
Musik geht direkt ins Unterbewusstsein, sie durchläuft keinen visuellen Filterungsprozess im Gehirn.
Musik schafft sofort Emotionen, mit ihr lassen sich Szenen oder komplette Spannungs- und Geschichtsbögen sehr effizient aufbauen, Momente und komplette Filme auflösen.
Der Musik misst Scott deswegen eine sehr hohe Bedeutung zu, einer höheren als dem Dialog.
Er geht sogar so weit, den Dialog als Musik einer Szene zu beschreiben, jeder Film braucht mindestens EINE Stimme (eines Protagonisten), um als Spielfilm wahrgenommen zu werden.
Für Ridely Scott ist Film Bild und Musik.
EPILOG
Ridely Scott ist ein meisterhafter technischer und visionärer Geschichtenerzähler. Seine Stilsicherheit und seine scheinbar schlafwandlerische Erzählung von Kino ist fast einzigartig.
Als wiederkehrendes Thema oder Motiv zieht sich durch seine Arbeit Freiheit, seine Produktionsfirma (für die Kinoprojekte) heißt Scott Free.
Am Deutlichsten wird dieses Thema vielleicht bei Thelma & Louise, wo die beiden Protagonistinnen nur im Tod eine absolute Freiheit finden können, aber auch durch einen Großteil seiner anderen Filme zieht sich das Freiheitsmotiv, wenn auch nicht immer als dominierendes emotionales Thema.
Bisweilen wirken seine Filme jedoch etwas unterkühlt, wenig emotional.
Scott ist per se kein emotionaler Geschichtenerzähler, dafür braucht er starke Drehbücher.
Ridley Scott ist der große menschliche Konflikt zwischen Angst / Systemik und dem Streben nach Entgrenzung sehr genau bewusst, aber er setzt dieses Wissen nicht immer zielgerichtet ein.
Zweimal benutzt er im Regiekommentar von Gladiator den Begriff der Transzendenz, für die atemberaubenden Zeitraffer-Landschaftsaufnahmen und für die Sequenz, in der Maximus (Russel Crowe) von den Sklavenhändlern verschleppt wird und quasi von einem Nahtoderlebnis zurückkehrt.
Auch bezieht Scott nicht immer in seinen Arbeiten Postion bzw. Haltung. (Mehr dazu im Artikel #3b The Counselor - Scheitern eines ambitionierten Stoffes).
In manchen Fällen ist dies der Philosophie oder dem Wesen des jeweiligen Filmes angemessen (Prometheus, Black Hawk Down, Blade Runner) - manchmal jedoch fehlt die Emotion, um aus einem spannenden Grundkonstrukt ein überwältigendes Meisterwerk zu schaffen.
Insbesondere bei den drei Werken Kingdom of Heaven, American Gangster und The Counselor empfand ich, dass die epische Erzählweise deutlich stärkere Emotionen benötigt hätte.
Auch nicht alle Filme Scotts funktionieren deswegen am Box Office.
Vielleicht ist dies das Tribut an seine langjährige Tätigkeit als Werbefilmer. Eine zu lange Beschäftigung mit Propagandafilmen hinterlässt auch bei den Machern Spuren.
Mangelnde emotionale Wertaufladung in der Struktur kompensiert Scott gerne mit Phantasiebildern / Flashbacks - wie beispielsweise in Gladiator (Familienbilder) oder Blade Runner (Erinnerungen, Einhornszene). Dies ist ein legitimes Mittel, da es durch Erzählzeit und individuellen Wert den jeweils träumenden Protagonisten mit emotionaler Bedeutung auflädt.
Allerdings ist dieses Mittel auch etwas simpel, da es nicht organisch aus den Handlungen der Figuren entsteht. Traumbilder und Flashbacks können beliebig und fast überall eingesetzt werden (vorausgesetzt, sie fallen nicht völlig aus dem übrigen Bildsystem des Films). Scott trägt in diesen Fällen praktisch eine zusätzliche Schicht Patina, manchmal auch Symbolik auf, um Emotion zu verstärken.
Aber ich denke, dass Scott sich mit den Filmen, die er macht, sehr wohl fühlt und wünsche mir, noch viele interessante Arbeiten von ihm zu sehen...
Ridley Scott ©2014 Janosch Orlowsky. Nachdruck und / oder Verbreitung nur mit schriftlicher Genehmigung.
Als wiederkehrendes Thema oder Motiv zieht sich durch seine Arbeit Freiheit, seine Produktionsfirma (für die Kinoprojekte) heißt Scott Free.
Am Deutlichsten wird dieses Thema vielleicht bei Thelma & Louise, wo die beiden Protagonistinnen nur im Tod eine absolute Freiheit finden können, aber auch durch einen Großteil seiner anderen Filme zieht sich das Freiheitsmotiv, wenn auch nicht immer als dominierendes emotionales Thema.
Bisweilen wirken seine Filme jedoch etwas unterkühlt, wenig emotional.
Scott ist per se kein emotionaler Geschichtenerzähler, dafür braucht er starke Drehbücher.
Ridley Scott ist der große menschliche Konflikt zwischen Angst / Systemik und dem Streben nach Entgrenzung sehr genau bewusst, aber er setzt dieses Wissen nicht immer zielgerichtet ein.
Zweimal benutzt er im Regiekommentar von Gladiator den Begriff der Transzendenz, für die atemberaubenden Zeitraffer-Landschaftsaufnahmen und für die Sequenz, in der Maximus (Russel Crowe) von den Sklavenhändlern verschleppt wird und quasi von einem Nahtoderlebnis zurückkehrt.
Auch bezieht Scott nicht immer in seinen Arbeiten Postion bzw. Haltung. (Mehr dazu im Artikel #3b The Counselor - Scheitern eines ambitionierten Stoffes).
In manchen Fällen ist dies der Philosophie oder dem Wesen des jeweiligen Filmes angemessen (Prometheus, Black Hawk Down, Blade Runner) - manchmal jedoch fehlt die Emotion, um aus einem spannenden Grundkonstrukt ein überwältigendes Meisterwerk zu schaffen.
Insbesondere bei den drei Werken Kingdom of Heaven, American Gangster und The Counselor empfand ich, dass die epische Erzählweise deutlich stärkere Emotionen benötigt hätte.
Auch nicht alle Filme Scotts funktionieren deswegen am Box Office.
Vielleicht ist dies das Tribut an seine langjährige Tätigkeit als Werbefilmer. Eine zu lange Beschäftigung mit Propagandafilmen hinterlässt auch bei den Machern Spuren.
Mangelnde emotionale Wertaufladung in der Struktur kompensiert Scott gerne mit Phantasiebildern / Flashbacks - wie beispielsweise in Gladiator (Familienbilder) oder Blade Runner (Erinnerungen, Einhornszene). Dies ist ein legitimes Mittel, da es durch Erzählzeit und individuellen Wert den jeweils träumenden Protagonisten mit emotionaler Bedeutung auflädt.
Allerdings ist dieses Mittel auch etwas simpel, da es nicht organisch aus den Handlungen der Figuren entsteht. Traumbilder und Flashbacks können beliebig und fast überall eingesetzt werden (vorausgesetzt, sie fallen nicht völlig aus dem übrigen Bildsystem des Films). Scott trägt in diesen Fällen praktisch eine zusätzliche Schicht Patina, manchmal auch Symbolik auf, um Emotion zu verstärken.
Aber ich denke, dass Scott sich mit den Filmen, die er macht, sehr wohl fühlt und wünsche mir, noch viele interessante Arbeiten von ihm zu sehen...
Ridley Scott ©2014 Janosch Orlowsky. Nachdruck und / oder Verbreitung nur mit schriftlicher Genehmigung.
APPENDIX:
Als essentielle Lektüre für alle Regisseure und Produzenten empfehle ich Sunzis Die Kunst des Krieges, die beste Ausgabe und Übersetzung ist meiner Meinung nach die des Insel-Verlages. (Ich besitze vier verschiedene Ausgaben dieses Werkes, die Übersetzungen variieren stark.)
Dieses Buch handelt nur oberflächlich von Krieg, vielmehr geht es um philosophische und praktische Aspekte und Prinzipien der Organisation.
Jedes Filmprojekt birgt immense logistische Herausforderungen, ernsthafte Regisseure kennen auch die Prinzipien der Produktion.
Buchcover @ Insel Verlag,
daneben eine Jesus Action-Figur.
Als essentielle Lektüre für alle Regisseure und Produzenten empfehle ich Sunzis Die Kunst des Krieges, die beste Ausgabe und Übersetzung ist meiner Meinung nach die des Insel-Verlages. (Ich besitze vier verschiedene Ausgaben dieses Werkes, die Übersetzungen variieren stark.)
Dieses Buch handelt nur oberflächlich von Krieg, vielmehr geht es um philosophische und praktische Aspekte und Prinzipien der Organisation.
Jedes Filmprojekt birgt immense logistische Herausforderungen, ernsthafte Regisseure kennen auch die Prinzipien der Produktion.
Buchcover @ Insel Verlag,
daneben eine Jesus Action-Figur.